Der Atem Manitous
ungetauften Arapaho führten ein Leben Seite an Seite mit denen, die ihr Blut brauchten. Aber nie mußte ein Stammesmitglied dafür sein Leben lassen, und wenn er an Krankheit, Verletzung oder Alter starb, schrieb ein Ritus vor, wie mit seiner Leiche zu verfahren war, damit sie sich nicht als seelenlose Dienerkreatur erheben konnte.
Was auch immer die Arapaho vom Weg der Alten Rasse abgebracht hatte, es mußte eine Kraft sein, die in der reinen Tierseele des Stammes-Totems wurzelte. Der Atem Manitous.
Eine Kraft, die mit der Zeit sogar in der Lage war, die Körper der Indianer immer mehr nach ihren Vorstellungen zu formen.
Es begann in den Nacken der uralten Kinder. Und niemand wußte, wie und wo es einmal enden würde .
*
GEGENWART
Lilith starrte immer noch auf die Tür, durch die Nona und der Indianer verschwunden waren.
Ohne sie zu töten.
Sie hatten Lilith einfach an den Stuhl gefesselt zurückgelassen, wissend, daß sie sich nur in eine Fledermaus zu verwandeln brauchte, um den Stricken zu entkommen.
Aber damit zögerte sie. Sie wußte nicht, was sie abhielt, die Verfolgung aufzunehmen, Nona und ihren Begleiter zu stellen.
Statt dessen saß sie da und fragte sich, wann sie ihn das nächste Mal wiedersehen würde.
Ihn.
Der Blick seiner Augen ließ sie nicht wieder los, und noch schien es ihr unvorstellbar, daß er mehr sein könnte als ihr gottbefohlener Feind.
Noch .
Epilog
In tiefer Meditation versunken hatte Makootemane die Nacht bis zum Morgengrauen verbracht. Nur so war es ihm gelungen, den Angriff des Purpurdrachen, dessen Reich die Finsternis war, zu seinen Gunsten hinauszuzögern.
Jetzt, da sich das gleißende Gestirn über den Horizont schob und die Kuppe des Berges mit goldenem Licht überflutete, war die Zeit gekommen. Denn die Sonne war sein Verbündeter.
Makootemane tauchte aus der Trance empor wie aus den Tiefen eines friedlichen Ozeans. Und wie die Oberfläche eines Gewässers, so durchbrach sein Geist eine Ebene der Wirklichkeit, hinter welcher der Drache lauerte.
Der Drache, der aus dem Lilienkelch gekommen und jedes Sippenoberhaupt - auch ihn - mit seinem Odem vergiftet hatte.
Makootemane stellte sich ihm in der Gestalt seines Totemtieres. Als majestätischer Adler.
Der Purpurdrache war auf seinen Angriff vorbereitet. Seine
Schuppen glitzerten wie Millionen winziger Diamantsteine, als er sich zu voller Größe emporreckte. Seine Schwingen peitschten die Luft, sein Hals bog sich dem Adler zu, und Makootemane konnte den Pestatem spüren, der ihm entgegenschlug.
Mit raschem Flügelschlag schwang er sich in die Höhe und entging dem verderblichen Hauch.
Im nächsten Moment war er über dem Kopf des Drachen, legte die Schwingen an und stürzte, die Krallen weit vorgereckt, auf ihn nieder.
Der Kopf des Ungeheuers schwang zur Seite, doch ganz konnte es der Attacke nicht entkommen. Eine Kralle zog eine tiefe Spur über das linke Auge. Schwarzes, glänzendes Blut schoß heraus, und eine wässrige Substanz, die, als sie aus der Pupille floß, Blindheit zurückließ.
Der Purpurdrache brüllte, daß selbst die Luft erbebte.
Gedankenschnell setzte Makootemane nach, doch der Hieb seines Schnabels nach dem anderen Auge ging fehl.
Der Drache wich zurück. Das Peitschen seiner Flügel entfachte einen Sturm, der Makootemane erfaßte und davonwirbelte.
Aber das Untier war angeschlagen. Es schüttelte den Kopf, versuchte mit nur einem Auge die Orientierung wiederzufinden.
Makootemane sah seine Chance. Er stemmte sich gegen den Sturm und näherte sich dem Drachen von der linken, der blinden Seite.
Sein zweiter Angriff traf den Drachen fast unvorbereitet. Während er noch nach dem Adler Ausschau hielt, stieß der erneut auf ihn herab.
Nur knapp entging das Untier der vollkommenen Blindheit, doch sein Augenlid zerriß unter Makootemanes Krallen.
Der Drache spie purpurfarbenes Feuer; unkontrolliert, ohne den Adler zu treffen. Nun befand er sich eindeutig auf dem Rückzug. Sein überhebliches Gehabe hatte sich in ein furchtsames Ducken verwandelt, zerschmettert unter der Erkenntnis, daß ein so unbedeutendes Individuum wie das Oberhaupt einer Indianersippe sei-ner Macht nicht nur begegnet war, sondern sie sogar erfolgreich bekämpfte.
Nur kurz war Makootemane versucht, dem waidwunden Gegner nachzusetzen, um ihn vollends zu töten. Er wußte, daß genau dies die Art von Selbstüberschätzung war, die dem Drachen zum Verhängnis geworden war. Er mußte sich damit begnügen, die Seuche,
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