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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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einem zeitgenössischen literarischen Werk von bleibendem Wert angeregt. Viel wurde später darüber geschrieben, aber so gut wie nichts zu der betreffenden Zeit selbst – was angesichts des ganzen Grauens der Erfahrungen, die sich damit verbanden, vielleicht auch nicht verwundern sollte.

4
    Meer des Mitleids
    … dann der Soldat
Voller toller Flüch’ und wie ein Pardel bärtig,
Auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,
Bis in die Mündung der Kanone suchend
Die Seifenblase Ruhm.
    1. Der Morgen ist angebrochen
    D ie Rakete traf ihr Ziel kurz nach Mittag an einem kühlen Tag Anfang Mai 1982. Der Himmel war bewölkt, es wehte ein stetiger Westwind, der sich hin und wieder zu einer kräftigen Bö der Art steigerte, wie sie für den fernen Südatlantik typisch ist. Fast niemand sah die Rakete kommen. Sie stammte aus französischer Produktion, war klein und schlank und preiswert. Sie war von einem zehn Meilen entfernten argentinischen Jagdflugzeug abgefeuert worden und schlug mittschiffs in den Rumpf der Sheffield ein, knapp über der Wasserlinie. Einige der Matrosen an Bord erinnerten sich später an eine überraschend schwache Explosion – die Rakete war aus zu großer Nähe abgefeuert worden, der Gefechtskopf hatte nicht genügend Zeit gehabt, sich zu aktivieren, weshalb das Geschoss beim Auftreffen auf den Schiffsrumpf nicht explodierte; doch Sekunden später geriet der in ihm verbliebene Treibstoff in Brand und entfachte ein Flammeninferno im Inneren des Schiffs, das Wolken von schwarzem Rauch ausstieß. Das Flugzeug, das den Flugkörper abgefeuert hatte, zischte über es hinweg, um festzustellen, ob es ihm wirklich den Todesstoß versetzt hatte.
    Das hatte es in der Tat. Innerhalb weniger Stunden war die HMS Sheffield , ein fast neuer Zerstörer, ein Prunkstück der Royal Navy und in den Südatlantik abkommandiert, um die Flugzeugträger und anderen großen Kriegsschiffe zu schützen, die sich versammelten, um den Krieg um die Falklandinseln zu beginnen, nur noch eine von der Mannschaft aufgegebenene und ausgebrannt auf den Wellen treibende Hulk. Als man sie sechs Tage später in die Heimat zu schleppen versuchte, ging sie unter. Die einsame Stelle in der Tiefe des Ozeans, wo sie und mehr als ein Dutzend Männer ihrer Besatzung, die verbrannten oder erstickten, jetzt ruhen, wurde offiziell zu einem Kriegsgrab erklärt, womit sich die Aufforderung verband, diese Stätte zu ehren.
    Die Sheffield war das erste Schiff der Royal Navy, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch eine feindliche Aktion zerstört wurde. Sie sollte nicht das letzte sein, das in die Tiefe sank, solange dieser kurze, aber erbitterte Konflikt um die Falklands tobte. Acht weitere Schiffe, fünf Einheiten der Royal Navy und drei der argentinischen Marine, darunter ein großer von den USA erworbener Kreuzer, liegen jetzt am Grund des Atlantiks. Aus jedem dieser Wracks steigt ein feiner Faden Maschinenöl an die Oberfläche und überzieht das graue Wasser mit bunten Newtonringen: das einzige sichtbare Denkmal für diese untergegangenen Schiffe.
    Da die Sheffield das erste britische Schiff war, das in dem Konflikt verloren ging, wird ihrer am intensivsten gedacht. Die meisten Briten erinnern sich noch lebhaft und mit größter Genauigkeit daran, wo sie sich befanden und was sie taten, als sie die Meldung vom Untergang des Zerstörers hörten. Ich selbst hatte einen ganz besonderen Grund dafür, mich genau daran zu erinnern, denn ich saß damals in der nicht allzu weit vom Schauplatz der Tragödie entfernten, unterhalb der letzten Ausläufer der Anden im südlichen Feuerland gelegenen düsteren Stadt Ushuaia im Gefängnis: Ich war nämlich wegen Spionage angeklagt.
    Es war ein bitterkalter Abend. Ich weiß noch, wie sich plötzlich Unruhe in dem Gefängnis breitmachte, und dann kam ein Offizier der argentinischen Marine zu meiner Zelle gerannt. Er war ganz außer Atem, brüllte aber trotzdem mit überschnappender Stimme jubilierend wie ein Fußballreporter, die Gitterstäbe der Zelle umklammernd, zu mir und meinen beiden Mitinsassen auf Spanisch herein: »Wir haben eins von euren Schiffen auf den Grund der See geschickt! Wir Argentinier haben ein Schiff der Royal Navy versenkt! Ihr werdet diesen Krieg verlieren!«
    Doch Großbritannien hat den Krieg nicht verloren, und die Falklandinseln sind heute noch genauso britisch, wie sie es seit nahezu zwei Jahrhunderten gewesen sind. Der Krieg, der geführt wurde, um diesen merkwürdigen

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