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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Schiff, in der Tiefe des Ozeans versinken möge. Denn er sei fest überzeugt davon, dass fern von seinen Angehörigen auf See zu sterben ein ganz besonders schrecklicher Tod sei. »Ich bin ein guter Seemann«, wiederholte er immer wieder. Er starrte abwesend in sein Glas, seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin ein guter Seemann«, sagte er noch einmal. »Über so etwas sollte man sich nicht freuen. Wir Seeleute bilden alle eine große Bruderschaft.«
    2. Kleinere lokale Zwiste
    B ruderschaft hin oder her: Der Boden des Atlantiks ist mit den Wracks vieler Tausender Schiffe übersät und ebenso mit den zerfallenen Skeletten von vielen Millionen Menschen. Der Krieg hat immer zum Ozean dazugehört, ist Teil der menschlichen Erfahrung von ihm gewesen, Kämpfe sind auf seiner Oberfläche ausgetragen worden, seit es die dazu notwendigen Waffen gibt. Wenn man – nicht dokumentierte – Scharmützel unter den die See befahrenden Kariben, den Beothuk auf Neufundland, den Azteken oder den Maya außer Acht lässt, dann wurden auf atlantischen Gewässern Schiffe zu kriegerischen Zwecken wohl erstmals von den Römern eingesetzt, als sie hölzerne Transporter benutzten, um ihre Landstreitkräfte über den Kanal nach Britannien zu befördern, womit sie eine Welle von Invasionen einleiteten, die erst nach einem Jahrhundert zum Erliegen kam.
    Biremen und Triremen, mit einem Großsegel ausgestattet und von Ruderern vorangetrieben, die in zwei oder drei Ebenen übereinander saßen, gingen von Häfen in Nordfrankreich – Boulogne wahrscheinlich – oder solchen am Rhein aus auf Fahrt und schlingerten dann langsam und stets gefährdet über den Ärmelkanal. Achtzig solcher Schiffe wurden bei Cäsars berühmter erster Invasion im Jahr 55 v. Chr. eingesetzt, weitaus mehr waren es, als Claudius nahezu ein Jahrhundert später mit seinen Truppen auf der Insel landete und diese zu viel größeren Erfolgen führte.
    Doch die Kämpfe mit den Einheimischen, die England schließlich für die folgenden drei Jahrhunderte formell der Herrschaft Roms unterstellen würden, wurden auf dem Land ausgetragen, der Ozean spielte bei der Verwirklichung der Ambitionen Roms nur eine ganz beschränkte Rolle. Die ersten wirklichen auf dem Atlantik ausgetragenen Kampfhandlungen stellten die Akte von Piraterie und die Plünderungen dar, die jahrhundertelang zur Geißel der Christenheit in Nordeuropa werden sollten, aber von einem anderen Volk verübt wurden, dem der Wikinger nämlich.
    Die Wikinger betätigten sich auf diese Weise zumeist in Küstengewässern an den östlichen Rändern des Ozeans, und ihre Überfälle decken einen der Hauptgründe dafür auf, warum Menschen sich einer so außergewöhnlichen und abscheulichen Aktivität zuwenden.
    Sie waren ein höchst unstetes Volk – ein maritimes Äquivalent zum sogenannten »wagon folk«, zu Landnomaden, die schon zur Zeit früher Zivilisationen das Umherziehen vor dem Sesshaftwerden bevorzugten und lieber als Hirten ihr Dasein fristeten, als Zäune und Mauern zu errichten und Landwirtschaft zu betreiben. Die Konflikte zwischen Völkern, die Festungen oder befestigte Siedlungen bauten, und solchen, die mit Karren oder Schiffen umherzogen, spielten eine zentrale Rolle in der Geschichte der frühen Menschheit – von der Zeit im zweiten Millennium vor Christus an, als indoeuropäische Horden von den kaspischen Grasländern aus nach Westen drängten, die Donau überquerten und Mittel- und Südeuropa in Besitz zu nehmen begannen. Diese Ereignisse bildeten den Auftakt zu Landkriegen in Europa; als die Wikinger 789 auf Raubzug gingen, bei Portland Bill am Ärmelkanal drei ihrer Langboote auf den Strand zogen und vier Jahre später eine Schar von Mönchen des Klosters Lindisfarne auf Holy Island in der Nordsee abschlachteten, initiierten sie den Krieg auf dem Atlantik, der im Grunde auch in der heutigen Zeit noch nicht beendet ist.
    Historiker sind sich uneins darüber, warum die Wikinger umherzuschweifen und zu randalieren begannen. Denjenigen, die glauben, dies sei auf das Bedürfnis nach mehr Ackerland zurückzuführen, um eine wachsende Bevölkerung ernähren zu können, wird von anderen widersprochen, die sich fragen, warum sie dann nicht einfach weiter in ihre im Norden gelegenen Wälder vordrangen und diese zur landwirtschaftlichen Nutzung rodeten. Andere meinen, ein Rückgang des Handels, den zu treiben die Wikinger seit Langem gewohnt waren, sei ursächlich dafür gewesen; die Ausbreitung des Islam

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