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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eines solchen Sturmes wird in einer fast an die Prosa Conrads gemahnenden Sprache durch den gewöhnlich so prosaischen British Island Pilot vermittelt:
    ›Während der entsetzlichen Stürme, die hier gwöhnlich vier- bis fünfmal jährlich vorkommen, verschwindet jeder Unterschied zwischen Luft und Wasser, auch die in nächster Nähe befindlichen Gegenstände sind von spritzenden Tropfen umnebelt, und alles scheint in einen dicken Rauch eingehüllt; an der offenen Küste erhebt sich die See ganz unvermittelt, und an die felsigen Ufer prallend, steigt sie schäumend vielleicht hundert Meter empor und breitet sich über das ganze Land aus.
    Der Seegang ist jedoch bei heftigen Stürmen von kurzer Dauer, nicht so schwer, als wenn eine gewöhnliche Brise viele Tage lang geweht hat; die ganze Kraft des Atlantiks schlägt dann gegen die Küsten der Orkneyinseln, tonnenschwere Gesteinsmassen werden aus ihrem Bett gehoben, man kann das Brüllen der Brandung über 30 Kilometer weit hören; die Sturzwellen erheben sich zu einer Höhe von 18 Metern, und die hochgehende See an der North Shoal, die 19 Kilometer nordwestlich von Costa Head liegt, ist noch in Kail und Birsay sichtbar.‹«
    Auch Joseph Conrad schrieb über Stürme auf See, und seine Schilderung in dem Roman Taifun (dessen Handlung allerdings im Pazifik spielt) ist genauso denkwürdig. Richard Hughes lieferte eine unvergessliche Beschreibung eines Sturms auf dem Atlantik in seinem Roman In Hazard. Charles Tomlinson widmete ein ganz kurzes Gedicht der genauen Untersuchung einer spektakulären Atlantikwoge:
    Launched into an opposing wind, hangs
    Grappled beneath the onrush,
    And there, lifts, curling in spume,
    Unlocks, drops from that hold
    Over and shoreward. The beach receives it;
    A whitening line, collapsing …
    (Auf den Weg geschickt in einen Gegenwind, hängt
    Sie gestaucht von dessen Andrang,
    Und erhebt sich dort, Gekräusel von Gischt,
    Löst sich aus jenem Griff,
    Fällt zusammen und zur Küste hin. Der Strand nimmt sie auf,
    Einen weiß leuchtenden Streifen, zusammensinkend …)
    Der Autor dankt Charles Tomlinson für die Abdruckgenehmigung für das Gedicht.
    Doch als Schlusswort zu diesem Kapitel – das schließlich von der romantischen Liebe zum Ozean handelt – will ich die Worte eines der bemerkenswertesten transozeanischen Einhandsegler, des Franzosen Bernard Moitessier, zitieren. Die Entscheidung, die ihn für mich über alle anderen erhoben hat, die die Welt umsegelt haben, fällte er im fernen Südatlantik, und zwar 1968 während des Rennens, das von Robin Knox-Johnston gewonnen wurde und bei dem Donald Crowhurst auf so tragische Weise den Tod fand.
    Moitessier wurde gesehen, als er die Falklands passierte mit Kurs Richtung Norden und in schneller Fahrt. Schnell genug in der Tat, um ihn wie den mutmaßlichen Sieger aussehen zu lassen. Und dann, urplötzlich und aus keinem erkennbaren mit dem Rennen zusammenhängenden Grund, entschied er, dass er nicht weiter nach Norden segeln, sondern einen Schwenk nach Osten machen, den Atlantik verlassen und zum zweiten Mal in den Indischen Ozean vorstoßen würde. Er legte seine Gründe dafür in einem Brief dar, den er in eine Konservendose stopfte, die er mithilfe einer Schleuder an Bord eines Handelsschiffs beförderte:
    »Es ist meine Absicht, die Fahrt, immer noch nonstop, fortzusetzen bis zu den Inseln im Pazifik, wo es mehr Sonne und Frieden gibt als in Europa. Glauben Sie bitte nicht, dass ich versuche, einen Rekord zu brechen. ›Rekord‹ ist mit Bezug auf die See ein sehr dummes Wort. Ich fahre ohne Unterbrechung weiter, weil ich mich auf dem Meer glücklich fühle, und vielleicht auch, weil ich meine Seele retten möchte.«
    Später verfasste er sein Testament, das eine Ode an das Meer als die Hauptquelle seines Glücks war. Darin findet sich ein Absatz, der den Kern seines Glaubens offenbart, eines Glaubens, den die meisten teilen, die den Atlantischen Ozean und alle anderen Meere lieben:
    »Ich bin ein Bürger der allerschönsten Nation der Welt. Einer Nation, deren Gesetze streng, aber einfach sind, einer Nation, die einen nie betrügt, die riesig ist und ohne Grenzen, in der das Leben in der Gegenwart gelebt wird. In dieser grenzenlosen Nation, dieser von Wind, Licht und Frieden bestimmten Nation, gibt es keinen anderen Herrscher als das Meer.«

    28 Das größte bleibt nach wie vor das von Pompeji.
    29 Mit einer Ausnahme hat die sogenannte »Mittlere Passage« der Sklavenschiffe kaum zu

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