Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
nachdem es keinem Kommandanten gelungen war, dem Gegner den Todesstoß zu versetzen, zogen beide Ironclads sich zurück. Die Offiziere eines jeden von ihnen erhoben den Anspruch, als Sieger aus dem Gefecht hervorgegangen zu sein, doch keine Seite hatte wirklich ihr Ziel erreicht – nämlich den Gegner zu versenken. Die Virginia wurde einige Wochen später in der Mündung des James River von der eigenen Mannschaft auf Grund gesetzt, damit sie nicht dem Gegner in die Hände fiel, und gegen Ende des Jahres schlug die Monitor , als sie bei Sturm hinter einem Schlepper lief, voll Wasser und ging bei Kap Hatteras unter. Obwohl also beide beteiligten Schiffe kein glückliches Ende nahmen, veränderte The Battle of Hampton Roads für immer das Aussehen des Seekriegs auf dem Atlantik – und mit der Zeit das Aussehen des Seekriegs im Allgemeinen.
Von dem Tag jener Schlacht an, von der die ganze Welt überraschend schnell – wenn man bedenkt, dass das transatlantische Telegrafenkabel noch nicht verlegt war – erfuhr, sollte für die Marine keines westlichen Landes mehr ein größeres hölzernes und allein von Segeln vorangetriebenes Kriegsschiff gebaut werden. Eisen, Dampf, Maschinen, Kohle, Öl, Drehzapfen und Drehlager, das waren Wörter, die in der Terminologie der modernen Seekriegführung vorkamen; Wörter wie topgallant , Turk’s Head , powder monkeys , marlinspike und mainsail 39 und das, was sie bezeichneten, gerieten bald in Vergessenheit.
Die Schlacht von Hampton Roads, die am 9. März 1862 zwischen der USS Monitor und der CSS Virginia ausgetragen wurde, ging als erste Auseinandersetzung zwischen Panzerschiffen in die Geschichte ein. Weder das Schiff der Union (rechts im Bild), das von Beginn an als Panzerschiff konzipiert worden war, noch das ursprünglich hölzerne der Konföderierten, das man nachträglich mit Eisenbahnschienen verkleidet hatte, konnte beim Gegner einen entscheidenden Treffer erzielen.
Erfindungen, auf die der Mensch während des größten Teils des Segelzeitalters nicht gekommen war, begannen jetzt zu etwas ganz Alltäglichem und wie selbstverständlich eingesetzt zu werden. Weniger als vierzig Jahre nach der Schlacht von Hampton Roads kam die wunderbare Einrichtung des Funks, die es Kapitänen gestattete, miteinander oder auch mit ihren Eignern und Reedern zu sprechen. Weitere vierzig Jahre später verfügte man schon über Radar, das es den Kapitänen ermöglichte, die Position anderer Schiffe zu ermitteln oder auch auf dem Schirm das feste Land zu sehen, dem sie ausweichen oder das sie erreichen wollten. Dann wurde das Sonar entwickelt, mit dessen Hilfe ein Seemann feststellen konnte, wie tief der Ozean unter dem Kiel seines Schiffs war; und Unterseeboote wurden eingesetzt, die die bisherigen Regeln der Kriegführung auf dem Meer vollkommen über den Haufen warfen. Diese und tausend andere Produkte menschlicher Erfindungskraft verwandelten die Ozeane – und insbesondere den Atlantik – in völlig andere Arenen zur Austragung bewaffneter Auseinandersetzungen. Schiffe, die sich zuvor nur selten auf den Weiten der Meere zu finden und zu treffen vermocht hatten, konnten jetzt solche Begegnungen – ob zu friedlichen oder kriegerischen Zwecken – zuverlässig und sicher herbeiführen. Für die Kriegführung, bei der man sich bis dato eher auf die Ausarbeitung von geeigneten Taktiken konzentriert hatte, spielten jetzt geografische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Als diese Entwicklungen dann noch durch die Konstruktion von sehr schlagkräftigen Waffen und einer neuen Generation von Schiffen mit bis dahin unvorstellbar großer Reichweite und Geschwindigkeit ergänzt wurden, griffen Seekriege immer weiter um sich, bis schließlich auch die entlegensten Winkel der Meere von Tod und Gewalt befleckt waren.
Befleckt ist das richtige Wort. Schon bei Trafalgar war es zu einem Blutbad gekommen, zu einem blindwütigen Gemetzel, einem Massaker an Menschen und Schiffen, und keine der späteren Schlachten sollte sehr viel weniger grausam sein. Mit der »Ritterlichkeit« war es vorbei. Der Seekrieg war fortan eine grässliche Angelegenheit, genauso schmutzig und bestialisch wie die großen Auseinandersetzungen auf dem Land. Wenn Trafalgar das letzte große kriegerische Zusammentreffen von hölzernen Schiffen auf dem Atlantik war, dann war die Schlacht, die während zweier Tage im Frühsommer 1916 in der Skagerrak-Meerenge tobte, die erste große Auseinandersetzung zwischen aus Stahl gebauten
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