Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
die Kaufleute ihren Einfluss immer weiter nach Norden aus und gründeten schließlich sogar eine Niederlassung in der weit entfernten norwegischen Hafenstadt Bergen.
Dieser Außenposten in Bergen existiert bis zum heutigen Tag mit knarrenden hölzernen Lagerhäusern und einem Gewirr von schmalen Gassen, in denen immer noch der typische Geruch von Teer und nassem Hanf hängt. An ihrem Ende, dort, wo das glatte Kopfsteinpflaster aufhört, sieht man die eiskalte See gegen die massiven Granitwände der Reeden schlagen. Heute legen hier Kreuzfahrtschiffe an, und wo einst die fülligen Hansekaufleute mit einem Handschlag oder bei einem zusammen gerauchten Pfeifchen Geschäfte besiegelten, drängen sich jetzt kleine Läden und Cafés. Von den Hügeln oberhalb des Bahnhofs aus gesehen, hebt sich das kleine deutsche Ghetto immer noch deutlich vom Rest dieses geschäftigen kleinen Hafens ab, genauso wie früher, als niederdeutsche Ordnungsliebe und Disziplin sich auf die legendäre Unberechenbarkeit und Launenhaftigkeit der nordischen Seefahrer, dieser Nachfahren der Wikinger, auszuwirken und auf dem Nordatlantik Ruhe einzukehren begann.
Die hölzernen Lagerhäuser und Warenspeicher der Hanse in Bergen. Die norwegische Stadt war vom 13. bis 17. Jahrhundert ein wichtiger Außenposten des Bundes. Pelze, Holz, Erz und Fisch wurden von dort in weiter südlich gelegene Hansestädte exportiert, Tuche und andere Manufakturwaren aus Deutschland und England importiert.
© George F. Mobley/Getty Images
Die Männer der Hanse sorgten für viele praktische Verbesserungen im Nordatlantikhandel. Sie achteten darauf, dass die in die Häfen führenden Fahrrinnen immer frei von Schlamm waren, sie bauten Leuchttürme, um vor Untiefen und Riffen zu warnen, sie riefen zu Kampagnen gegen Piraten auf, sie wurden sogar mächtig genug, um gelegentlich despotischen Monarchen Paroli bieten zu können. Doch bei alldem war die Hanse in erster Linie mit dem befasst, was Seeleute in angelsächsischen Ländern heute noch als short sea bezeichnen: mit der Küstenschifffahrt: Sie überquerten Buchten, liefen in Flussmündungen ein, legten kurze Strecken zu Nachbarstädten oder -regionen zurück und absolvierten die meisten Fahrten in tröstlicher, beruhigender Nähe zum Land.
3. Kabeljau, Kerzen und Korsetts
O bwohl die Wikinger schon im 11. Jahrhundert Labrador besucht und auf Neufundland gesiedelt hatten, sollte es einige Jahrhunderte dauern, bis der Ozean vollständig von Osten nach Westen überquert war und der Überseehandel, begann. Bis dahin wurden Fahrten, die weit vom Land wegführten, nicht um irgendwelcher Geschäfte willen unternommen, sondern Männer, die den nötigen Mut besaßen, wagten sich auf hohe See hinaus, um jene natürliche Ressource zu nutzen, die einst in Hülle und Fülle in allen Meeren der Welt vorkam: Fisch.
Es war der Hansebund, der den kommerziellen Fischfang im Nordatlantik auf eine solide Basis stellte. Die Beliebtheit von sehr nahrhaftem und vergleichsweise billigem Seefisch veranlasste die Hansekaufleute dazu, den Bau von zwei Fangflotten in Auftrag zu geben, die das Vorkommen gewaltiger Fischschwärme in zwei Gebieten des Atlantiks ausnutzen sollten: in den sogenannten Scania-Fischgründen vor Südschweden, wo es vor allem Heringe gab, und in den Gewässern um die Lofoten in Nordnorwegen, wo es von unvorstellbar großen Schwärmen von Gadus morhua , dem Atlantikkabeljau, wimmelte.
Die Bedeutung dieses bemerkenswerten Fisches mit seinem weißen, eiweißreichen und nahezu fettfreien Fleisch in der Geschichte des Atlantiks ist unbestritten. Der Handel mit ihm dominierte die geschäftlichen Aktivitäten der Hanse; der Kabeljau stimulierte die Basken dazu, Fahrten weit auf den Ozean hinaus zu unternehmen, er versorgte Hunderttausende Briten mit Arbeit und zehn Millionen von ihnen mit Nahrung, und jahrzehntelang bildeten der Fang und der Verkauf dieses Fisches den Hauptstützpfeiler der Wirtschaft der am Meer gelegenen Provinzen Kanadas und der Küstenstaaten Neuenglands.
Kabeljau ist eine demersale Fischart, das heißt, dass er Bodennähe und flache Wasserzonen bevorzugt – eine Vorliebe, die er mit Plattfischen wie Scholle, Flunder, Seezunge und Heilbutt sowie mit den ihm verwandten fünfflossigen Gadidae , dorschartigen Fischen, wie Schellfisch, Seelachs, Seehecht und Wittling teilt. (Die zweite große Gruppe der Seefische wird durch die pelagonischen gebildet, die sich relativ dicht unter der Wasseroberfläche oder
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