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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nicht selten Schreckliches, hatten aber auch viele Stunden der Muße, die sie füllten, indem sie aus Walbein kleine Schiffsmodelle oder Figürchen schnitzten. Die wagemutigeren von ihnen fuhren sogar an der Isla de los Estados vorbei weiter nach Süden und kämpften gegen die starken Winde und Stürme, die in den dortigen, als »Roaring Forties« bekannten Breiten tobten; und wenn ihnen das Glück zur Seite stand und sie tüchtige Seeleute waren, gelang es ihnen, Kap Hoorn unbeschadet zu umrunden und in die Weite des Pazifiks vorzudringen, in dem es von Walen wimmelte.
    Es waren aber vor allem die langen auf dem Atlantik verbrachten Monate oder sogar Jahre, die amerikanischen Seeleuten zu einer profunden Kenntnis der hohen See und einem Selbstvertrauen verhalfen, wie sie nur wenige andere besaßen. Walfänger stießen in die entlegensten Regionen dieses Ozeans vor und deckten ebenso viele seiner Geheimnisse auf, wie es die von den verschiedenen an ihn angrenzenden Staaten ausgesandten Forscher und Kartografen getan hatten. Das Erbe, das sie – und vor allem diejenigen von ihnen, die aus Neuengland stammten – hinterließen, ist bedeutend.
    4. Güterverkehr
    E s überrascht aus diesem Grund kaum, dass, als der regelmäßige Gütertransport über den Atlantik hinweg sich als neuer Geschäftszweig etablierte, die Amerikaner als Experten für Fahrten über weite Strecken auf diesem besonderen Meer die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und als Erste eine Form der Schifffahrt betrieben, die seitdem auf dem Atlantischen Ozean dominiert. Der Beginn dieser Aktivität lässt sich auf die ersten Tage des kalten Monats Januar im Jahr 1818 datieren, und sie bestand darin, dass ein Fahrzeug der Art, die als packet ship bekannt wurde, von New York aus die Reise in Richtung Osten antrat.
    Auf dem Atlantik wimmelte es bereits von Frachtschiffen, die enorme Mengen von Produkten der Neuen Welt nach Europa beförderten – vor allem Zucker von den Plantagen in Mittelamerika, Brasilien und auf den Inseln in der Karibik – und beladen mit Handelswaren, Baumaterial, technologisch fortschrittlichen Geräten und Apparaturen, Modeartikeln sowie allem anderen, was die Kaufleute in den Kolonien begehrten, in die umgekehrte Richtung fuhren. Doch diese Schiffe stachen im Allgemeinen erst dann in See, wenn ihre Laderäume gefüllt waren. An diesem Schiffsverkehr war nichts Regelmäßiges oder Zuverlässiges, insofern es keine feststehenden Abfahrtszeiten gab und auch nicht gewiss war, wie genau die Route aussah, die ein Schiff nehmen würde: Wenn in letzter Minute Fracht für einen Hafen eintraf, der eigentlich nicht hatte angelaufen werden sollen, musste der Kapitän vom bis dahin vorgesehenen Kurs abweichen, um diese Waren dem Empfänger überbringen zu können.
    Die einzige Institution, die sich bemühte, den Frachtverkehr zwischen Europa und Amerika nach einem gewissen Plan ablaufen zu lassen, war das damals noch in den Kinderschuhen steckende British Post Office, und zwar beinahe unmittelbar im Anschluss an die Einführung eines Postdienstes durch König Charles II. im Jahr 1660. Man erkannte sehr früh, dass wichtige Sendungen für das Ausland – offizielle Schreiben an Botschafter oder die Statthalter von Kolonien – genauso rasch und zuverlässig zugestellt werden mussten wie solche an Empfänger im eigenen Land. Dementsprechend wurden schon Anfang der achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts in einer Reihe von Häfen spezielle Poststationen eingerichtet – von Harwich und Dover aus gingen die Sendungen per Schiff nach Nordeuropa, von Holyhead auf der Insel Anglesey nach Irland, und 1688 wurde auch der entlegene Küstenort Falmouth im südlichen Cornwall nach einem formellen Auswahlverfahren zum Posthafen bestimmt.
    Es waren schnelle Segler, die regelmäßig von dem kleinen Ort aus auf große Fahrt in alle Ecken der westlichen Welt gingen – zuerst wurde ein Dienst zwischen Falmouth und La Coruña in Spanien eingerichtet; alle zwei Wochen brachen zwei kleine Schiffe auf, die als advice boats bekannt waren. Die ersten beiden wurden auf die Namen Postboy und Messenger getauft. Sie fuhren durch die Straße von Gibraltar zu ihrem Zielort, von dem aus die Post dann in das übrige Süd- und Zentraleuropa und nach Asien weiterbefördert wurde. 46 Um die Jahrhundertwende schlug dann der Surveyor General der Marine, Edmund Dummer, dem Post Office vor, einen transatlantischen Dienst einzurichten, und 1702 setzte er ein Quartett von

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