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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hochseetüchtigen slups und briggs ein, die zwischen Falmouth und den von Briten regierten Zuckerinseln Barbados, Antigua, Montserrat, Nevis und Jamaika verkehrten. Das war ein erster Schritt auf die Einrichtung eines solchen Dienstes zwischen England und dem amerikanischen Festland zu, das heißt insbesondere New York City, wie er dann 1755 tatsächlich aufgenommen wurde, und zwar anfangs mit zwei Schiffen, der HMP Earl of Halifax und der HMP General Wall. Sobald regelmäßig Schiffe auf dieser Route unterwegs waren – dem Plan nach sollte jeden Monat eines von England nach New York und eines in umgekehrter Richtung abgehen, in den ersten beiden Jahren kamen aber nur jeweils vier Hin- und vier Rückfahrten zustande –, wurden weitere Segler unter Vertrag genommen, bis Falmouth schließlich mit Häfen in den südlichen Regionen der Kolonie wie Pensacola, St. Augustine, Savannah, Charleston, vor allem aber auch mit der größten Garnisonsstadt im Nordosten, mit Halifax, verbunden war.
    Sporadisch waren schon seit 1754 Postschiffe zwischen Falmouth und Halifax hin- und hergefahren; sie hatten meist Depeschen und andere Sendungen für das Militär befördert. Durch den Unabhängigkeitskrieg hatten sich dann logistische Probleme ergeben. Doch sobald sich der durch den Krieg aufgewirbelte Staub wieder gelegt und die ehemalige Kolonie die Freiheit gewonnen hatte, wurde ganz formell ein regelmäßiger Dienst eingerichtet. Von 1788 an wurden sowohl Halifax als auch New York von Falmouth aus mit Post beliefert, und was die USA betraf, war Benjamin Franklin für die Organisation zuständig, der schon als deputy postmaster general des kolonialen Amerika fungiert hatte und nach der Erlangung der Unabhängigkeit zum postmaster general-in-chief des neuen Staats avancierte. 47
    Die gehobene Londoner Gesellschaft kannte sich bald mit den Abläufen genau aus: Am ersten Mittwoch jeden Monats wurde im General Post Office im Zentrum Londons die Post für New York und Quebec City entgegengenommen. Für einen Brief nach Manhattan waren four pennyweight of silver zu entrichten. Die Sendungen wurden, in ledernen Behältnissen, sogenannten packets , wovon sich auch der Name packet boat oder ship ableitet, sicher verwahrt, auf eine Postkutsche geladen, die dann über die Landstraße nach Falmouth rollte, wo sie, regelmäßig wie ein Uhrwerk, am Samstagabend eintraf. Im Hafen des kleinen Ortes lud man die packets dann auf das schon bereitliegende Schiff, das umgehend die Leinen loswarf und aus den Falmouth Roads auf die Wogen des Atlantiks hinausfuhr. Es brauchte im Schnitt fünfzig Tage, um den Ozean zu überqueren, bergauf, 48 vor allem, wenn das Post Office die Anweisung zu Zwischenhalten bei den Bermudas und Nova Scotia gegeben hatte. Ein Londoner, der am 1. Januar einen Brief an einen Empfänger in New York aufgab, konnte damit rechnen, dass dieser in der dritten Februarwoche an seinem Ziel eintreffen würde.
    Und natürlich wurden nicht nur Briefe befördert. Der Leiter des Post Office, ein gewisser Mr Potts, gab bekannt, dass auch Zeitungen und Magazine auf die andere Seite des Atlantiks geschickt werden konnten. Jede der Londoner Tageszeitungen wie der General Advertiser , der Courant oder der Daily Advertiser machte allerdings einen Leser in Amerika um fünf Pence pro Exemplar ärmer. Für den Spectator – der heute noch erscheint – musste man neun Pence entrichten, und auch die London Gazette – das ehrwürdigste aller Londoner Blätter, das offizielle Verlautbarungen der Regierung enthält und ebenfalls nach wie vor floriert – war in New York für neun Pence zu haben; für diesen Preis »wurde sie von den Kommandanten der diversen packet boats ohne zusätzliche Gebühren abgegeben«.
    Es kommt einem mehr als nur ein bisschen merkwürdig vor, dass es hundertdreißig Jahre, von 1688 bis 1818 dauerte, bis die Idee, regelmäßig Post von England nach Amerika und in umgekehrter Richtung zu spedieren, auf den Sektor der Beförderung von Fracht im Allgemeinen übergriff. Und es wies vielleicht schon auf die zukünftige Entwicklung voraus, dass es keine britische Institution war, die auf den Einfall kam – obwohl die Briten doch schon so große Erfahrungen auf verwandtem Gebiet gesammelt hatten –, sondern dass eine Gesellschaft mit Hauptquartier in den USA als Erste den regelmäßigen Transport von Fracht zwischen Europa und Amerika aufnahm.

    Der 1857 auf der Werft von William Henry Webb in Lower Manhattan gebaute große Klipper

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