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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bezahlen konnte. Er waren aber auch Passagiere an Bord – anfangs bis zu achtundzwanzig –, die es sogar einigermaßen behaglich hatten.
    Es wurde immer genau zur vorher angegebenen Zeit abgelegt, gleichgültig, ob die Stauräume gefüllt und die Kajüten belegt waren oder nicht. Die Leinen wurden losgeworfen, ob das Wetter günstig war oder nicht: Ans Ziel zu gelangen, und dies so schnell wie möglich, hatte alleroberste Priorität, alles andere zählte nicht. Und aus einer Art Ehrerbietung gegenüber dem Post Office bezeichneten auch die Betreiber der Black Ball Line ihre Schiffe als packet ships.
    Das erste packet ship nach Liverpool legte am Morgen des 5. Januar 1818 von Pier 23 in Lower New York ab. Unter Beweis stellend, dass dieser neue Dienst nicht von den Launen des Wetters, der Gezeiten oder des Schiffsführers abhängig war, sondern Fracht und Passagiere bei günstigem wie auch bei ungünstigem Wind zuverlässig ans Ziel befördern würde, stach die James Monroe , ein Dreimaster von vierhundertvierundzwanzig Tonnen, inmitten eines von Nordosten herantobenden Blizzards in See. Die hoch aufstiebende Gischt sowie die wild wirbelnden Schneeflocken entzogen sie bald den Blicken der vielen faszinierten Zuschauer, die sie mit Anfeuerungsrufen, vom Klang der Kirchenglocken und von Kanonenschüssen unterstützt, in das Unwetter hinausschickten.
    Als die James Monroe Sandy Hook, diesen markanten Punkt im Meer, umrundete und New Jersey steuerbord, Long Island backbord von ihr lagen, setzte sie ihren Klüver und präsentierte damit allen anderen Schiffen, die in Richtung des schützenden Hafens eilten, das Logo der Linie: einen auffallenden, in das Segeltuch gewobenen großen schwarzen Kreis. Dieses Symbol prangte auch genau in der Mitte des leuchtend roten Wimpels, der von ihrem Großmast flatterte: eine pechschwarze Kugel.
    Die James Monroe war auf Geschwindigkeit hin ausgelegt – das und die feststehenden Abfahrtszeiten waren es, was den höchsten Anreiz für Kunden darstellte –, und sie verdankte den Verbesserungen, die private amerikanische Schiffseigner während des Kriegs in den Bau von Frachtschiffen eingeführt hatten, um leichter die Blockade der Briten durchbrechen zu können, eine Menge. Ihr Rumpf hatte darüber hinaus ein recht großes Fassungsvermögen: Er bot Platz für dreitausendfünfhundert barrels – im frühen 19. Jahrhundert ein Standardmaß – Fracht. Allerdings war er auf dieser ersten Fahrt nicht annähernd gefüllt. Und es hatten auch nur acht Passagiere – für einen Preis von zweihundert Dollar für die einfache Fahrt – eine Koje gebucht, während, wie erwähnt, für zwanzig weitere Platz gewesen wäre. Die Frachtliste zeigt, dass es im Laderaum hohl geklungen haben muss, da sie wirklich nur sehr wenig nach England beförderte: eine kleinere Menge Äpfel aus Virginia, einige Fässer Mehl aus dem Mittleren Westen, vierzehn Bündel Holz aus Vermont, ein kleines Quantum Cranberrys aus Maine und ein paar Kanister voll Terpentin, das auf Plantagen in Florida von Sklaven produziert wurde. Dann waren da noch lebende Enten und Hühner sowie eine Kuh, was es den stets dienstbereiten Stewards, in der Mehrzahl Schwarze, gestattete, die Handvoll Fahrgäste mit frischem Fleisch, Eiern und Milch zu verwöhnen. Es befanden sich aber auch Ballen von Rohbaumwolle aus Georgia an Bord, da die Eigner sich natürlich nicht die Gelegenheit entgehen ließen, die Spinnereien in Yorkshire und Lancashire mit Nachschub an jener magischen Pflanzenfaser zu versorgen, die den Grundstock zu ihrem Vermögen gelegt hatte.
    Unter ihrem Kommandanten James Watkinson benötigte die James Monroe achtundzwanzig Tage bis zur Mündung des River Mersey, und am 2. Februar machte sie im Hafen von Liverpool am Kai fest. Irgendwo mitten auf dem Ozean war sie – ohne dass sie dieses gesichtet hätte – ihrem sich uphill kämpfenden Schwesterschiff, der Courier , begegnet, die sechs Wochen für die Fahrt benötigte und Entsetzliches durchmachte. Die Rückfahrt der James Monroe nach New York war in kommerzieller Hinsicht ein noch größeres Fiasko als die Hinfahrt: Sie geriet in einen Sturm und wurde so stark beschädigt, dass sie zu Reparaturen nach Liverpool zurücklaufen musste. Doch in ihren Büros in der New Yorker Beekman Street ließen sich die drei auf Gott vertrauenden Quäker Marshall, Thompson und Wright von alldem nicht erschüttern, und 1820 brachen alle vier Schiffe in ihrem Besitz mit größter Regelmäßigkeit

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