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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Challenge – ein nicht nur äußerst schnelles, sondern auch anmutiges Schiff – kann als Verkörperung der goldenen Zeit der Segelschifffahrt gelten. Er war ein Vierteljahrhundert lang im Dienst.
    © Mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress Prints and Photographs Division
    Allerdings war die Idee dazu in den Köpfen zweier in den USA lebender Briten geboren worden. Beide waren aus Yorkshire gebürtig, genauer aus Leeds, und hatten sich Ende des 18. Jahrhunderts nach Amerika aufgemacht, um dort ihr Glück zu suchen. Durch Zufall arbeiteten sie in der Beekman Street in Lower Manhattan in aneinander angrenzenden Büros. 1812, als sie auf ihren bahnbrechenden Einfall kamen, war Jeremiah Thompson ein junger Baumwollhändler und Eigner einer kleinen Flotte von Booten, die er im amerikanischen Küstenhandel einsetzte. Benjamin Marshall – wie Thompson und auch die meisten anderen Kaufleute, die in dieser Geschichte eine Rolle spielen, Quäker – stellte Textilien her und importierte auch welche.
    Beide Männer stellten fest, dass sie gleiche Interessen besaßen: Sie kauften die Rohbaumwolle direkt von den Plantagen in den südlichen Staaten der USA. Allerdings hatten sie Unterschiedliches mit ihr vor. Thompson erwarb sie, um sie gegen die edlen Produkte aus Schafwolle einzuhandeln, die sein Vater daheim in Leeds für den Export nach Amerika herstellte. Marshall hingegen benötigte große Mengen Rohbaumwolle, um sie nach Lancashire zu transportieren, wo sie in den Spinnereien seiner Familie in Stoffe verwandelt wurden, die er dann nach Amerika reimportierte und an Einzelhändler verkaufte. Da die beiden Männer nicht direkte Konkurrenten waren, entschlossen sie sich zu einer Zusammenarbeit. Sie richteten Büros in Atlanta ein und beschäftigten Agenten in New Orleans. Weil kein anderes internes Beförderungssystem existierte, 49 verwendeten sie ihre kleinen Segler, um Baumwolle von den Häfen im Südosten des Landes nach New York zu transportieren und von dort mit jedem beliebigen Schiff, das noch Laderaum frei hatte, über den Atlantik nach Liverpool zu schicken.
    Aus dieser Lage der Dinge ergab sich sowohl ein Problem als auch, von Marshalls und Thompsons Gesichtspunkt aus, eine großartige Chance.
    Das Problem verschärfte sich durch die jähe Zunahme des Handels nach dem Ende des Krieges von 1812 und der Aufhebung der Blockade amerikanischer Häfen durch die Royal Navy immens. Denn es stachen bei Weitem nicht genug Schiffe von New York aus in See, um die ganze anfallende Fracht über den Ozean zu befördern. Darüber hinaus wusste man nie, wann genau diese Schiffe auslaufen würden, und noch ungewisser war, wann sie an ihrem Ziel auf der anderen Seite des Atlantiks eintreffen würden.
    Jahrelang war es Brauch gewesen, dass Kaufleute eigene Schiffe zur Beförderung ihrer Waren einsetzten: Marshall und Thompson besaßen schon drei, die Pacific , die Amity und die Courier , die sie für den Transport ihrer Rohbaumwolle über den Ozean heranzogen, deswegen waren sie persönlich mehr oder weniger aus dem Schneider; sie wurden nicht von dem Problem heimgesucht, mit dem viele ihrer Kollegen zu kämpfen hatten, die einfach nicht genügend Frachtraum aufzutreiben vermochten, um ihre Waren zu verschiffen. Der Geniestreich dieser beiden bereits äußerst erfolgreichen Geschäftsleute – die sich noch mit einem weiteren Schiffseigner, einem Quäker namens Isaac Wright zusammentaten – bestand darin, den Bau weiterer Schiffe in Auftrag zu geben und Laderaum gegen Bezahlung jedem Kaufmann zur Verfügung zu stellen, der welchen benötigte. Und, was ebenfalls von entscheidender Bedeutung war, sie schickten ihre Schiffe regelmäßig und zu festen Zeiten auf die Reise. Bislang waren sogenannte »Trampschiffe« zwischen Amerika und Europa verkehrt; sie hatten den Hafen verlassen, wenn dem Skipper der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein schien, jetzt wurde ein Dienst »mit Rahseglern nach Fahrplan« angeboten – eine wirklich brandneue Idee.
    Ein Schiff der Black Ball Line, wie die drei Partner ihre Gesellschaft nannten, verließ New York am Fünften eines jeden Monats um Punkt zehn Uhr und nahm Kurs auf Liverpool. Am Ersten eines jeden Monats löste ein anderes Schiff in Liverpool die Leinen und trat die Reise uphill , Richtung Westen, an. Alle Schiffe hatten Fracht unterschiedlichster Art geladen, die entweder im Laderaum verstaut oder an Deck festgezurrt war; sie transportierten sie für jeden, der dafür

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