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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zu Fahrten über den Ozean auf; es kam nie zu einem ernsthaften Zwischenfall, und mit den Frachtmengen stiegen auch die Gebühren, die sie für deren Beförderung verlangten. Zwei Jahre später konnten sie es sich leisten, größere Schiffe zu ordern, die nach ihrer Fertigstellung ebenfalls unter der roten Flagge mit der schwarzen Kugel segelten. Die Albion , die Britannia , die Canada und die Columbia waren Rahsegler von jeweils fünfhundert Tonnen und konnten sich, wie es hieß, rühmen, von den besten Matrosen bemannt zu sein und den geschicktesten Kommandanten geführt zu werden, die auch bei schlechtesten Wetterbedingungen geradezu darauf brannten, alle Segel zu setzen, so dass die Schiffe der Black Ball Line die Fahrt downhill immer in der denkbar kürzesten Zeit hinter sich brachten.
    Es wurden regelrechte Rennen veranstaltet, was die Passagiere, wenn sie zum Beispiel hilflos zusehen mussten, wie die Segel in einem Sturm in Fetzen gingen, in Alarmzustand versetzte. Die Canada benötigte für die Überquerung des Atlantiks in östlicher Richtung einmal nicht mehr als fünfzehn Tage und acht Stunden und schaffte es sogar in umgekehrter Richtung von der Mündung des Mersey bis Sandy Hook in bloßen sechsunddreißig Tagen. »Arise and shine for the Black Ball Line«, 50 dieser Ruf wurde zur Wachablösung bald auf vielen Schiffen der Konkurrenz laut – das war eine Mahnung an die Mannschaft, sich zu sputen, denn Trägheit würde mit Sicherheit zur Folge haben, dass ein Segler der Black Ball Line eher im Hafen eintraf als man selbst. Und da die Seeleute ihre Heuer bei der Ankunft ausgezahlt bekamen, bedeutete das, dass die »Black Ballers« auch früher ihre Heuer in der Hand halten würden.
    Die Kapitäne, samt und sonders harte, raue und wilde Männer, von persönlichem Ehrgeiz sowie von einer totalen Hingabe an ihre Gesellschaft beseelt, wurden bald zu legendären Gestalten, und auch ihre Schiffe genossen einen besonderen Ruf. Die Matrosen, gleichermaßen zähe Burschen wie ihre Kommandanten, wurden packet rats genannt. Die meisten von ihnen waren Liverpooler Iren und von einer ungeheuren Gier nach Alkohol und Schlimmerem besessen, so dass sie unweigerlich überall, wo sie Landurlaub bekamen, über die Stränge schlugen und mit den örtlichen Ordnungshütern aneinandergerieten. Von ihren Offizieren wurden sie pausen- und gnadenlos angetrieben. Ein Kapitän war bekannt dafür, dass er auf einer speziellen Lagerstatt schlief, die er auf dem Quarterdeck mit Bolzen befestigen ließ. So konnte er sicher sein, dass kein rangniedrigerer Offizier es wagte, in einem Sturm die Segel reffen zu lassen, was er vielleicht getan hätte, wenn sein Skipper unter Deck geschlafen hätte; bei einer Verringerung der Segelfläche hätte man natürlich weniger schnelle Fahrt gemacht und ein verspätetes Eintreffen im Hafen riskiert. Es war ein raues Gewerbe und passte damit zu der wilden See, über die die packet ships immer wieder fuhren.
    Es dauerte nicht lange, bis Scharen von Konkurrenten in das Geschäft einstiegen und an den Uferstraßen von Lower Manhattan lange Reihen wartender Schiffe lagen, deren Bugspriete, wie Charles Dickens berichtete, »beinahe zu den Fenstern« der an den Piers gelegenen Geschäftshäuser »hineinragten« und unter denen die Passanten herumspazierten wie Waldbewohner unter einem Dach von Ästen. Zu den »Black Ballers« gesellten sich bald die packets der Red Star Line, der Blue Swallow Line, der London Line, der Liverpool Line, der Union Line (die das nordfranzösische Le Havre ansteuerten), der Fyfe Line (die nach Greenock in Schottland fuhren) und der Dramatic Line (die alle auf die Namen von Schauspielern und Dramatikern getauft waren). Allen Protesten der amerikanischen Black-Ball-Reederei zum Trotz trat in Britannien ein Konkurrenzunternehmen auf den Plan, das sich genauso nannte. Das löste erhebliche Verwirrung aus, bis die Gerichte für Ordnung sorgten. Mehr als fünfhundert Segelschiffe lagen manchmal gleichzeitig dicht an dicht an den Kais von Manhattan, das Heck dem East River mit seiner starken Strömung zugekehrt – wie zum Losgaloppieren bereite Rennpferde.
    Das British Post Office stellte bald danach seinen eigenen Paketbootdienst ein, genau wie die Gründer der Black Ball Line es vorhergesagt hatten. In London akzeptierte man inzwischen, dass die Amerikaner im Transatlantikhandel tonangebend waren und nahezu täglich neue Dienste eingerichtet wurden, die alles Mögliche schnell und

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