Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
wie später der Jumbojet zu einem augenfälligen Symbol für die Tüchtigkeit der Amerikaner wurde, war dies im 19. Jahrhundert der Yankee Clipper.
Doch nur für sehr kurze Zeit. Konkurrenz trat bald in Form von mit Dampf betriebenen Frachtschiffen auf den Plan. Sogar die majestätischen Windjammer mit ihren stählernen Rümpfen, die bis zu fünf Masten aufwiesen, über eine gewaltige Segelfläche verfügten und fünftausend Tonnen Fracht mit immenser Geschwindigkeit befördern konnten, waren nicht mehr rentabel, sobald die Dampfschiffe technisch perfektioniert waren.
Als Reeder wie Samuel Cunard, der schon 1814 einen Dienst mit Dampfschiffen zwischen Liverpool und Boston ins Leben rief, in das Geschäft einstiegen, waren die Tage der Segelschiffe gezählt. Ein Dampfschiff konnte den Ozean in weniger als zwei Wochen überqueren. Diese Schiffe waren nicht mehr den Launen von Wind und Wetter ausgesetzt. Ein verlässlicher Fracht- und Personenverkehr nach Fahrplan – etwas, das auch die packets hatten bieten wollen, was ihnen aber trotz des von ihnen eingegangenen hohen Risikos nie ganz gelungen war –, das wurde jetzt die Norm, ja etwas Selbstverständliches. Die Frachtgebühren stürzten in den Keller. Und obwohl die Eigner und Kapitäne einiger Windjammer bis in das neue Jahrhundert hinein zäh an ihrem Gewerbe festhielten – einige der Schiffe waren noch Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Meeren unterwegs, zum Beispiel mit Guano von entlegenen Pazifikinseln, auf denen für einen Dampfer keine Möglichkeit zur Bekohlung bestand –, waren alle Klipper im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts von den Haupthandelsrouten verschwunden.
Der Übergang vom Segel- zum Dampfantrieb hatte auch unbeabsichtigte Folgen. Die Anker- und Liegeplätze für Windjammer hatten sich in der Mehrheit im East River befunden, auf dem Segelschiffe Wendemanöver leichter durchführen konnten. Die Dampfschiffe jedoch liefen fast alle in den noch relativ wenig befahrenen Hudson auf der Westseite von Manhattan ein, wo sie auch in größerer Nähe zu den Endpunkten der Eisenbahnstrecken anlegen konnten, auf denen Fracht und Passagiere weiter ins amerikanische Hinterland befördert wurden. Diese Entwicklung führte zwangsläufig zu einem Wandel der architektonischen Struktur der schnell wachsenden Stadt New York, und sie macht sich bis heute noch bemerkbar: Die exklusivsten Apartments sind die, die einen Ausblick nach Westen auf den Hudson gewähren, dorthin, wo die großen Ocean-Liner andockten.
Die Paketboote und die Klipper hatten nicht nur Fracht, sondern auch Menschen befördert. Segelschiffe hatten in den letzten Jahren ihrer Blütezeit und Dampfschiffe in den vielen Jahrzehnten bis zum Aufkommen von Flugzeugen Millionen und Abermillionen von Menschen transportiert – vor allem in Richtung Westen – und damit eine entscheidende Rolle bei der Bevölkerung, ja bei der »Entstehung« Amerikas gespielt, insbesondere bei der Kanadas und der USA; deren Territorien waren bis dahin nur äußerst spärlich besiedelt gewesen, und beide Länder hatten sich ganz gezielt um einen ständigen Zufluss von Immigranten aus der Alten Welt bemüht.
Zu einem großen Teil geschah diese Migration nicht freiwillig, sondern war, wie schon erwähnt, das beschämende Ergebnis des Handels mit Sklaven, die in Afrika ergriffen, unter grauenvollen Bedingungen über den Ozean befördert und dann in erniedrigender Knechtschaft gehalten wurden. Zu denen, die aus eigenem Antrieb kamen, gehörten viele frühe Kolonisten, die sogenannten »Pilgerväter« aus Plymouth, die Siedler, die Jamestown gründeten, wie auch jene, die Dörfer an solch entlegenen Orten wie Puerto Madryn (Waliser), Rio de Janeiro (Portugiesen) und Halifax (unter anderem auch zahlreiche Basken) anlegten. Viele von diesen waren handwerklich geschulte und in technischen Dingen bewanderte Menschen, die man zur Einwanderung einlud, damit sie dabei halfen, die industrielle Revolution mit auf den Weg zu bringen, Spinn- oder Webmaschinen zu bedienen, Eisen zu verhütten oder Kohle zu fördern. Die Mehrzahl der Einwanderer kam aus England sowie aus Deutschland und Holland. Diese Menschen und ihre Nachfahren waren für die Besiedlung aller kolonialen Besitzungen europäischer Länder von Labrador im Norden bis hinunter nach Patagonien im Süden mitverantwortlich: Sie trugen mit ihrem persönlichen Lebensschicksal zu ihr bei.
Doch die meisten Neuankömmlinge trafen erst ein, nachdem diese Kolonien sich
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