Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
bekanntesten Sinnbildern unserer globalisierten Welt zählen, erfunden wurden. Doch Malcolm McLean, der im April 1956 einen ersten Versuch mit einem solchen Schiff unternahm, indem er einen umgebauten Tanker der US-Navy, die Ideal X , mit achtundfünfzig Containern an Bord von Newark nach Houston dirigierte, hatte begriffen, dass in der Frachtschifffahrt Zeit und Geld alles waren, und dass es fast sechs Dollar kostete, eine Tonne Fracht von Hand zu verladen, während man sie für bloße sechzehn Cent an Bord eines Containerschiffs bringen konnte. Die ganze Romanik mag in einem einzigen Augenblick verflogen sein, doch auch der Schauermann verschwand von der Bildfläche, der Laderaum und mit ihm die Back. Die ganze Frachtschifffahrt wurde über Nacht von einem Gewerbe, bei dem es auf Gezeiten und Winde, Sextanten und Signalwimpel ankam, zu dem das Geschrei der Möwen einen Hintergrund bildete und über dem der Geruch nach Teer und nassem Tauwerk hing, zu einem Universum, in dem im wahrsten Sinn des Wortes gut geölte Maschinen den Ton angeben, in dem Kurse mithilfe von GPS und Computerberechnungen bestimmt werden und die Bewegungsabläufe von Ladekränen von Maschinen programmiert und auf die Millisekunde genau getimet werden.
McLeans erste Gesellschaft nannte sich Pan-Atlantic Steamship Company. Er veräußerte sie später an ein Tabakunternehmen, das sie an eine Eisenbahngesellschaft weiterverkaufte, bis sie am Ende bei dem Reeder Maersk landete, der heute über eine Flotte der sieben größten Schiffe gebietet, die jemals gebaut wurden. McLean starb 2001 als unvorstellbar reicher Mann. Er hatte sein Riesenvermögen mit Containern erworben, die unser Bild vom Meer für alle Zeiten verändert haben. Die Containerisierung der Handelsschifffahrt hatte immer weiter um sich gegriffen, ohne dass man sich allzu große Sorgen um die von der unaufhörlich wachsenden Flotte von Containerschiffen verursachte Umweltverschmutzung gemacht hätte.
Vor der Erfindung und Einführung von Containern mussten alle Frachtstücke einzeln von sogenannten Schauerleuten oder mithilfe von Ladekränen an Bord eines Schiffs gebracht werden.
Heutzutage, da die Ergebnisse deutscher und anderer Forscher anfangen, den Verantwortlichen von Reedereien Gewissensbisse zu bereiten, und diese, ähnlich wie die Geschäftsführer von Fluggesellschaften und die Konstrukteure von Flugzeugen, erkennen, welche Konsequenzen ihr Tun und Handeln hat, stellt man Forschungen an, um bessere und sauberere Dieselöle herzustellen oder alternative Antriebsarten zu entwickeln. Kürzlich sind neue, sowohl für die Ost- als auch für die Nordsee geltende Regeln eingeführt worden, welche die Menge von Schwefel im Dieselöl für Schiffe limitieren, in der Hoffnung, dass man damit die Umweltverschmutzung reduzieren und die Möglichkeit verringern kann, dass Satelliten die Routen von Schiffen anhand der über ihnen hängenden Wolken bestimmen können.
Es gibt auch einige wirklich brandneue Ideen. Eine, die im wahrsten Sinn des Wortes eine gewisse Zugkraft gewonnen hat, ist die, ein gigantisches Segel, oder genauer, einen an einen Spinnaker erinnernden Drachen zu konstruieren, den man vor einem großen Frachtschiff aufsteigen lässt, wenn der Wind günstig ist, und der es hinter sich herzieht, so dass es sogar dann noch Vortrieb hat, wenn man die Dieselmotoren abstellt. Ein deutsches Unternehmen rüstete einen Massengutfrachter, die Beluga SkySails , mit einer solchen computergesteuerten Vorrichtung aus und ließ das Schiff im Januar 2008 eine Testfahrt von Bremerhaven zum Kohlehafen Guanta in Venezuela absolvieren – womit man der Tradition treu blieb, Neuerungen im Schiffbau auf dem Ozean zu erproben, auf dem diese höchstwahrscheinlich am häufigsten zum Einsatz kommen werden: dem Atlantik.
Es wird aber noch lange dauern, bevor Segel die Verwendung von Bunkeröl überflüssig machen und Flugzeuge mit Babassu-Kerosin in den Tanks zwischen den Städten auf beiden Seiten des Atlantiks hin- und herfliegen werden. Und so lange wird die Luft über unserem Ozean immer schlechter werden. Doch gehen die Schäden noch viel tiefer – und das wortwörtlich. Die sichtbare Oberfläche des Meers, seine Gewässer, die flachen wie die tiefen, die Geschöpfe, die in ihm leben, und der ganze Boden, in den Küstenregionen wie auch weit draußen, sind ebenfalls verseucht worden, nicht so sehr durch Flugzeuge und Schiffe als vielmehr durch die Riesenmengen von giftigen Substanzen, die
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