Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
gegenwärtig sind es an die zwanzigtausend große kommerziell genutzte Maschinen, die jedes Jahr zweitausendzweihundert Millionen Passagiere an alle möglichen Orte der Welt befördern –, sind viele Umweltexperten der Überzeugung, dass sie der fragilen Hülle der Erdatmosphäre – und in Folge davon auch den Meeren – gravierenden Schaden zufügen.
Wenn sie über die Ozeane hinwegrasen, sind die Maschinen in einer Höhe von siebentausend Fuß unterwegs, also ohne enge Verbindung zum Land und scheinbar ganz für sich allein, und sie bieten in ihrem scheinbar ruhigen Dahingleiten von unten einen wunderschönen Anblick. Doch sie ziehen lange Fahnen von schädlichen Abgasen und graue Schleier von Schmutzpartikeln hinter sich her. Das Kerosin, das ihre Turbinen verbrennen, erzeugt große Mengen von genau jenen Treibhausgasen, die der Meinung vieler nach zur Erderwärmung beitragen, vorwiegend Karbondioxide und Stickstoffoxide. Die Flugzeuge stoßen auch große Mengen Ruß und Sulfate aus sowie gleichfalls schädliche Streifen von kondensiertem Wasser, worüber deren strahlend weiße Schönheit hinwegtäuscht.
© Knaus Verlag
Die Mengen, die bei alldem ins Spiel kommen, sind wirklich beängstigend. Eine vollbeladene Boeing 777 stößt auf der Strecke von London nach New York – falls sie mit den gegenwärtig üblichen Treibstoffen betankt ist – ganze siebzig Tonnen Kohlenstoffdioxid aus. Ein großer alter Jumbojet, mittlerweile eine Art Dinosaurier der Luftfahrt, speit jedes Jahr 540000 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus, wenn er ausschließlich dazu eingesetzt wird, Touristen zwischen London und Miami hin- und herzubefördern. Wenn man die durchschnittlich ausgestoßene Menge mit den 475000 Atlantiküberflügen von unterschiedlicher Länge – die Strecke von Rio nach Frankfurt ist natürlich weiter und hat deswegen eine höhere Luftverschmutzung zur Folge als die von Shannon nach Halifax – multipliziert und dazu die Vielfalt verschiedener Flugzeugtypen berücksichtigt, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Ozean jährlich die Produktion von mehr als dreiunddreißig Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in dem sich über ihm wölbenden Himmel ertragen muss. Jeder der dreihundert Passagiere, die bei meinem Flug im Januar 2009 zusammen mit mir in der Maschine saßen, war dafür verantwortlich, dass an die neunzig Kilo Kohlenstoffdioxid in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangten. Ich hätte ebenso gut in einem Auto mit Platz für vier Insassen allein über das Meer fahren können.
Es sind allerdings Bemühungen im Gang, das Reisen mit dem Flugzeug sowohl effizienter zu machen als auch die Menge an dabei anfallendem Kohlenstoffdioxid zu reduzieren. Es werden fortschrittlichere Antriebsaggregate entwickelt, und die Flugzeuge selbst werden immer leichter. (Die neue Boeing 787 Dreamliner, deren Konstruktion sich lange verzögerte, besteht zur Hälfte aus Karbonfasern, besitzt supereffiziente Turbinen und soll in der Lage sein, lange Strecken mit einem Fünftel weniger Treibstoff zurückzulegen als die gegenwärtigen Passagier- und Frachtmaschinen.) Es werden auch intensive Forschungen zu Biotreibstoffen angestellt, die aus Pflanzen und lebenden Organismen bestehen, welche zu ihrem Wachstum genau das Kohlendioxid benötigen, das die Jets im Flug ausstoßen. Falls sich ein Ausgleich herstellen ließe zwischen dem CO 2 -Ausstoß eines Flugzeugs und der CO 2 -Absorption durch die Pflanzen, aus denen der von ihm verbrauchte Treibstoff gewonnen wird, dann wäre eine sogenannte carbon neutrality erreicht. Der Eigner eines Flugzeugs – in den meisten Fällen also eine Gesellschaft – könnte in diesem Fall von sich behaupten, »ein Grüner« zu sein und sich für den Schutz der Umwelt einzusetzen.
Ein Ergebnis dieses neuen Interesses daran, einen vom Menschen verursachten Klimawandel zu verhindern oder zumindest stark einzuschränken, besteht darin, dass man immer mehr merkwürdige exotische neue Wörter zu hören bekommt: jatropha , camelina , babassu und halophytes . Das sind die Namen von Pflanzen, die gegenwärtig noch von geringem Nutzen für Menschen und Tiere sind ( jatropha ist sogar für die einen wie die anderen giftig), die still und unauffällig in nur marginal nutzbaren Gebieten wie Halbwüsten und Salzmarschen vor sich hin wachsen und dabei gierig tonnenweise Kohlenstoffdioxid aufnehmen; wenn diese Pflanzen in speziellen Apparaturen einem großen Druck ausgesetzt werden, lassen sich aus ihnen große Mengen von
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