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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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erkannte, extrem naiv. Die Ozeane sollten bald kein Instrument zur Verdünnung von Chemikalien mehr sein, sondern diese vielmehr rund um den Planeten transportieren, sie überallhin verteilen, entweder mit ihrem Wasser oder über die Fische und andere in ihnen lebende Geschöpfe.
    Man stimmt dahingehend überein, dass die Verschmutzung des einst reinen Ozeans eine schreckliche Sache ist. weshalb in jüngerer Zeit eine Reihe von internationalen Abkommen – das wichtigste davon wohl die sogenannte Londoner Konvention von 1972 – unterzeichnet worden sind, die dafür sorgen sollen, dass diejenigen, die die Meere für ihre Zwecke nutzen, und diejenigen, deren Länder an sie grenzen, darauf achten, dass ihr Wert für den ganzen Planeten erkannt wird und sie so weit wie möglich vor Übergriffen des Menschen bewahrt bleiben.
    3. Die Folgen der Gier
    D ie Verschmutzung des Wassers an sich ist aber nicht das größte Problem, das einem Ozean wie dem Atlantik zusetzt. Das Meer besitzt eine beschränkte Fähigkeit, sich selbst zu reinigen und zu regenerieren. Die Geschöpfe, die in ihm leben, haben diese nicht. Und der ständig wachsende Bedarf der Menschheit an Fisch und anderen Meerestieren droht gegenwärtig eine der anfälligsten Ressourcen der See zur Neige gehen zu lassen. Um einen nahezu unersättlichen Hunger des Menschen nach Meeresfrüchten zu befriedigen, überfischen wir heutzutage unsere Meere bedenkenlos. Das für die meisten offenbar erstaunliche Ergebnis ist, dass Fisch rasch immer knapper wird.
    Auf einen kleinen Beweis dafür, wie heikel die Situation in dieser Beziehung geworden ist, stieß ich im Frühherbst 2009, als ich ganz zufällig Zeuge einer trivialen und vermeidbaren, doch auch recht interessanten öffentlich ausgetragenen Kontroverse wurde.
    Ich war von New York nach London geflogen, wo ich spät an einem Samstagabend eintraf. Es war schon zehn, als ich mein Gepäck beim Portier meines Klubs an der Pall Mall abgab. Ich hatte Hunger und nahm an, dass es zu so fortgeschrittener Stunde nicht leicht sein würde, noch irgendwo eine halbwegs anständige Mahlzeit zu erhalten. Ich marschierte zum Leicester Square und ging in die alte ehemalige Markthalle von Covent Garden, wo ich an unzähligen Cafés und Bistros vorbeischlenderte. Vor den meisten standen Menschen, die darauf warteten, dass ein Tisch frei wurde. Und dann kam ich zum Lokal von J. Sheekey, einer aufgepeppten Version des Fischrestaurants, in das meine Eltern mich in den 50er Jahren mitzunehmen pflegten. Heutzutage ist Sheekey so fashionable, dass ich glaubte, es würde so gut wie unmöglich sein, noch einen Platz zu ergattern, jedenfalls nicht ohne lange anzustehen. Ich war schon im Begriff vorbeizugehen, doch eine Laune ließ mich innehalten und eintreten, darauf vorbereitet, eine Enttäuschung zu erleben.
    Weit gefehlt. Die Angestellten, die ich mit dem Aufstoßen der Tür überrascht zu haben schien, wirkten merkwürdig erleichtert, mich zu sehen. Es stellte sich heraus, dass es noch freie Tische gab. Entgegen meinen Erwartungen saß ich also im Nu auf einem Stuhl, mit einem gefüllten Glas vor mir. Ich bestellte. Teller und Schüsseln wurden gebracht, von mir geleert und wieder abgeräumt – und so schlenderte ich gegen Mitternacht mit einem Dutzend Austern, einer Portion whitebait , einem nicht zu kleinen Stück loup de mer sowie einer kleinen Portion Fenchel und neuer Kartoffeln im Magen satt und zufrieden zum Klub zurück. Ich war angenehm überrascht, dass man in London, lange eine gastronomische Wüste, jetzt in der Lage war, Besucher derart zu verwöhnen.
    Ein paar Tage später fand ich die Erklärung für das nahezu leere Restaurant, als ich in der Zeitung las, dass Sheekey kurz vor meinem Besuch öffentlich niedergemacht worden war, weil man dort angeblich Fische einer Spezies serviert hatte, die auf einer allgemein anerkannten Liste von gefährdeten Arten steht.
    Es war ein plötzliches Interesse für die Probleme der Überfischung in den Reihen der besorgten und kultivierten Londoner aufgeflammt. Eine Fernsehdokumentation hatte gerade bestimmte Fangtechniken als grausam und bestimmte Arten des Fischfangs als illegal angeprangert. Die Fischbestände seien von baldiger Ausrottung bedroht, und die vielen Läden, Supermärkte, Lokale sowie die Restaurateure und deren Gäste, die entweder nicht wussten oder denen es egal war, dass sie, indem sie Fische kauften und aßen, zu deren Aussterben beitrugen, seien schuld an der ganzen

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