Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Packungen mit Fisch, der aus solcher Fischerei stammt, können (gegen eine Gebühr) mit einem blau-weißen ovalen Logo gekennzeichnet werden. Gegenwärtig beträgt der Anteil am Gesamtfischfang weltweit ungefähr sieben Prozent; auch der atlantische Seehecht, der Themse-Hering und (wie wir später noch sehen werden) eine amerikanische Abart des Schwarzen Seehechts werden mit solchen den Bestand erhaltenden Methoden gefangen.
Der Ansatz des MSC basiert darauf, den Konsum von dem zu propagieren, was es als »guten« Fisch einstuft. Viele amerikanische Organisationen unternehmen hingegen die größten Anstrengungen, um den Kauf und Verzehr von dem zu boykottieren, was sie als »schlechten« Fisch ansehen. (So veranstaltete der National Environment Trust eine Kampagne unter dem Motto »Take a Pass, on Chilean Sea Bass« – »Verzichten Sie auf Schwarzen Seehecht.«) Aus diesem Grund die Rote Liste, die Greenpeace 2009 vorlegte. Sie stellt ein Kompendium dessen dar, was die Organisation als die meistgefährdeten Fische, Krusten- und Schalentiere ansieht. Auf ihr sind, zurzeit, zweiundzwanzig Arten oder Artengruppen zu finden, von denen achtzehn im Atlantischen Ozean vorkommen, und ihre Gefährdung geht beinahe ausschließlich auf erbarmungsloses Überfischen oder auf gedankenlos-grausame Fangmethoden zurück.
Chilean sea bass – das ist der geschickt gewählte Name, unter dem der Schwarze Seehecht, der in der englischsprachigen Welt eigentlich Patagonian toothfish heißt, weltweit vermarktet wird – steht auch auf der Liste. Es ist allerdings ein Fisch, der vor allem vor der chilenischen Küste, im Pazifik also oder in antarktischen Gewässern vorkommt. Hoki, auch Blauer Seehecht genannt, der, ohne dass sich die Öffentlichkeit dessen bewusst ist, einen großen Teil des Fischs ausmacht, der in McDonald’s-Restaurants weltweit über die Theke geht, wird ebenfalls als gefährdet eingestuft. Es handelt sich um ein kleines, blasses Geschöpf, das am häufigsten vor Neuseeland vorkommt. Seelachs wird vor allem bei Alaska gefangen. (Das MSC stuft die Seelachsfischerei in den Gewässern um Alaska als seines Siegels würdig ein; doch steht die Art auf der Roten Liste von Greenpeace, was einen Hinweis auf die kontroversen Meinungen liefert, die auf diesem komplexen Gebiet bestehen.) Und das natürliche Habitat des Schwertfischs, der generell mit der viel kritisierten Methode des long-lining gefangen wird, ist vor allem der Pazifik.
Der Rest der überfischten Arten, also die große Mehrheit, ist im Atlantik zu Hause. Es sind der atlantische Kabeljau, der atlantische Heilbutt, der atlantische Lachs und die atlantische Jakobsmuschel; der Albacore-Thunfisch aus dem Südatlantik, der Großaugen-Thun, der Gelbflossenthunfisch und vor allem der prachtvolle, viel geschätzte Blauflossenthunfisch (von dem ein einziges Exemplar auf dem berühmten Tsukiji-Markt in Tokio bis zu tausend Dollar einbringen kann und der unter anderem auch wegen dieser seiner Begehrtheit bei Japanern der am akutesten bedrohte atlantische Großfisch ist), der Grönland-Heilbutt, der nordatlantische Seeteufel, die Islandmuschel, der Rotbarsch, der tropische Red Snapper, die meisten Rochenarten, die meisten tropischen Krabben, die vor der afrikanischen Westküste zu Hause sind, und der Fisch, der heute den exquisit klingenden Namen »Granatbarsch« trägt, der aber, bevor die Vermarkter sich seiner bemächtigten, bei Fischern und Biologen eher als »Schleimkopf« bekannt war. Alle diese Arten findet man zwischen Grönland und Feuerland, zwischen Kapstadt und dem Nordkap, in den tiefen und flachen, den warmen und kalten Gewässern irgendwo im riesigen Atlantik.
Zweimal bin ich direkt mit den Realitäten der Fischereikrise im Atlantik konfrontiert worden, einmal im nordwestlichen Teil des Ozeans, dann, in jüngerer Zeit, in seinem tiefen Süden, in der subarktischen Zone.
4. Im Norden
M eine erste unmittelbare Begegnung mit der Krise fand hoch im Norden statt, vor Neufundland, wo sich kein spezifischer »Schurke« dahinter verbarg, sondern allgemeine menschliche Unzulänglichkeit schuld an ihr war: Diese hätte in den frühen 1990er Jahren einen der größten Fischgründe des Planeten, die Grand Banks, beinahe vollständig zerstört. Die Geschichte vom Niedergang der Kabeljaufischerei in einer Reihe wunderschöner, aber heruntergekommener kleiner Gemeinden an der Küste von Bonavista Bay ist in der Tat ungemein traurig. Ich wurde Ende des Jahrzehnts mit ihr
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