Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Und die Sturmflut, die auf diese Weise entstand und auf das Festland zuraste, führte – obwohl sich die Gewalt des Hurrikans da schon abgeschwächt hatte – am Tag darauf zu der entsetzlichen Katastrophe.
Wenn warmes Wasser der entscheidende Faktor ist, dann scheint es klar zu sein, dass der globale Temperaturanstieg, von dem ja auch das Meerwasser betroffen ist, heftigere und möglicherweise häufigere Hurrikans zur Folge hat. Doch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist das keineswegs so offensichtlich, ja, es ist zweifelhaft, ob tatsächlich ein solcher Nexus besteht. Es fehlen eindeutige Beweise. So lässt sich auch aufgrund des begrenzten Zeitraums, für den Daten vorliegen, nicht mit Sicherheit feststellen, ob sich wirklich so etwas wie ein Trend, also eine anhaltende Entwicklung, abzeichnet. Den Hurrikansaisons der Jahre 2004 und 2005, in denen es zu besonders heftigen und häufigen Wirbelstürmen kam, schlossen sich zwei Saisons an, in denen die Hurrikanaktivität unterdurchschnittlich war. Im Jahr 2008 war sie dann mit sechzehn Tropenstürmen von einer Stärke, die eine solche Benennung rechtfertigte, moderat, und im Jahr 2009 ging es in dieser Hinsicht ungefähr so turbulent zu wie bei einem Sommerfest der Pfarrgemeinde. Im Schnitt hat es in der Zeit seit 1995 mehr Hurrikans gegeben, vor allem eine größere Anzahl solcher, die den Kategorien vier oder fünf zuzuordnen waren. Doch die über einen langen Zeitraum gesammelten statistischen Daten – man hat ein Projekt zur Erfassung aller verfügbaren Daten zu atlantischen Hurrikans seit 1851 ins Leben gerufen, das den Namen HURDAT trägt – scheinen zu erkennen zu geben, dass keine lineare Entwicklung in Gang ist, sondern wir es vielmehr mit sich aneinanderreihenden Zyklen zu tun haben.
Die meisten Klimatologen beharren bei jeder Diskussion über den Anstieg der Meerestemperatur auf der Bedeutung dessen, was als thermohaline Zirkulation bekannt ist. Damit ist unter anderem das Absinken des stark salzhaltigen Wassers, das an der erwärmten Meeresoberfläche durch Verdunstung entsteht, in größere Tiefen gemeint, durch das wiederum Wasser angesogen wird, welches das abgesunkene ersetzt. Es gibt einen Zyklus – er ist als Atlantische Multidekaden-Oszillation bekannt –, der irgendwie mit Schwankungen in der thermohalinen Zirkulation in Verbindung zu stehen scheint. In den Jahren seit 1995 ist es zu einer intensiveren Zirkulation dieser Art gekommen als üblich, und einige Fachleute sind der Ansicht, dass wir es keineswegs mit einem sich kontinuierlich fortsetzenden Trend zu tun haben, sondern Zeugen eines normalen Zyklus sind, der gerade eine seiner regelmäßig wiederkehrenden Warmphasen erreicht hat. Das bedeutet nicht, dass keine Erwärmung stattfindet, doch die Tatsache, dass diese sich vielleicht mit einem zyklisch eintretenden Phänomen überschneidet, macht das Ganze kompliziert.
Darüber hinaus: Sogar diejenigen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass ein vom Menschen verursachter Klimawandel im Gang ist, erkennen an, dass man es sich zu leicht macht, wenn man solch einen verheerenden Sturm wie »Katrina« schematisch auf die globale Erwärmung zurückführt. Nur wenn es zu vielen derartigen Katastrophen käme, könnte man sicher sein, dass ein solcher Zusammenhang besteht, und es gibt immer noch zu wenige Daten, um einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Alles, was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die atlantischen Stürme der jüngsten Vergangenheit viele Menschenleben gekostet und große materielle Schäden verursacht haben – aber dies nicht, weil sie öfter als früher aufgetreten sind, sondern weil sich mehr Menschen in den von ihnen heimgesuchten Gebieten niedergelassen hatten und dort kostspieligere Gebäude errichtet worden waren.
Man sollte vielleicht noch einmal klarmachen, was auf kurze Sicht die beste Lösung ist, wenn man vermeiden will, dass so viele Siedlungen am Golf von Mexiko und an der Atlantikküste immer wieder verwüstet werden: Dazu ist es weniger erforderlich, die Welt abzukühlen, als vielmehr die Menschen dazu zu bewegen, nicht an jene Orte zu ziehen, an denen regelmäßig Chaos ausbricht. Es gibt viele sehr gute Gründe dafür, die Kohlendioxidemission zu verringern, aber zu verhindern, dass es in amerikanischen Küstenstädten zu Sturmschäden kommt, gehört nicht dazu. Diese Siedlungen hätten nie angelegt werden dürfen. Man sollte die bedrohten Küstenstriche von Florida, Louisiana, Alabama,
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