Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
von ihrem Habitat in Patagonien zweitausend Meilen weit nach Norden verschlagen hatte. Das sorgte für große Aufregung und Verwirrung. Zoologen, die herbeigerufen wurden, um sich der Tiere anzunehmen, meinten, diese könnten den Anchovisschwärmen gefolgt sein, welche von Strömungen und Winden, die ihre Richtung geändert hatten, nach Norden getrieben worden waren. Die brasilianischen Zeitschriften berichteten über junge Sonnenanbeterinnen im Bikini, die die Vögel in ihre klimatisierten Heime trugen. Die Frauen waren nicht weniger verängstigt und hilflos als die im Sterben liegenden Tiere.
Auf der anderen Seite des Ozeans und in einer anderen Hemisphäre, in der von Armut heimgesuchten Republik Liberia, hat es in jüngerer Zeit eine Serie von Stürmen nach der anderen gegeben; sie haben begonnen, die Küste wegzureißen, so dass in mehreren kleinen Ortschaften Häuser ins Meer stürzten und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Eine größere Stadt namens Buchanan suchte vor Kurzem um finanzielle Mittel für den Bau von Schutzwällen nach, die weitere Erosion verhindern sollen.
In Dänemark wiederum sind andere merkwürdige Symptome aufgetreten. Die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten im Land scheinen zuzunehmen, und Windräder erleben einen Boom, weil die häufiger auftretenden Stürme ihre Errichtung mehr als rentabel machen. In Kapstadt haben Buschbrände getobt, die bis dicht ans Zentrum der Stadt herangekommen sind; und die Nationalblume des Landes, die Königsprotea, ist in einigen Gegenden nahezu ausgestorben, ebenso wie der Vogel, der Kaphonigfresser, der in erster Linie für ihre Befruchtung zuständig ist. Die heftigen Regenschauer, die früher solche Brände zu löschen pflegten, bleiben aus; das Wetter in der östlichen Kapregion hat sich geändert, sagen die Einheimischen, die Jahreszeiten, so wurde einer von ihnen von der BBC zitiert, »laufen Amok«.
Und dann gab es da natürlich den Hurrikan »Katrina«. Die Verwüstungen, die dieser Wirbelsturm der Kategorie 5 anrichtete, der sich am 23. August 2005 im Atlantik in der Nähe der Bahamas bildete und sechs Tage später auf die Südküste von Louisiana und Mississippi traf, waren entsetzlich. Obwohl er nicht direkt über New Orleans hinwegzog und sich zu einem Sturm der Kategorie 3 abgeschwächt hatte, als er das Festland erreichte, brachte er fast zweitausend Menschen den Tod. Der Sachschaden belief sich auf viele Milliarden Dollar, so dass dieses Ereignis die teuerste Naturkatastrophe in der amerikanischen Geschichte war.
Die Regierung wurde heftig dafür kritisiert, dass sie den Folgen des Hurrikans mit unzulänglichen Maßnahmen Herr zu werden versuchte. Das überschattete bis zu einem gewissen Grad die brillante Leistung des Amtes, dessen Aufgabe es gewesen war, ihn anzukündigen und vor ihm zu warnen. »Katrina« hatte sich auf so klassische Weise zusammengebraut und entwickelt, dass der National Weather Service mit schon fast unheimlich anmutender Genauigkeit nahezu alles mit diesem Sturm in Zusammenhang Stehende hatte vorhersagen können. Das Bulletin, das von der Station des NWS in Baton Rouge, Louisiana, nur wenige Stunden bevor »Katrina« das Festland erreicht hatte, herausgegeben worden war, liefert ein Paradebeispiel dafür, dass nüchterne Amtssprache einen viel stärker frösteln machen kann als eine blumige, »literarische« Ausdrucksweise.
»Dringend – Unwetterwarnung
National Weather Service New Orleans LA
10 Uhr 11, Central Daylight Time, Sonntag, 28. August 2005
Verwüstungen zu erwarten
Betrifft Hurrikan Katrina: Ein äußerst heftiger Hurrikan von noch nicht da gewesener Stärke, der von der Intensität her dem Hurrikan Camille des Jahres 1969 in ungefähr gleichkommt.
Der größte Teil des betroffenen Gebiets wird für mehrere Wochen, vielleicht sogar länger, nicht bewohnbar sein. Bei zumindest der Hälfte der Häuser in solider Bauweise ist mit Schäden an Dach und Außenwänden zu rechnen. Alle Giebeldächer werden abgedeckt werden, was die betroffenen Gebäude stark in Mitleidenschaft ziehen oder ganz zerstören wird.
Die Mehrzahl der industriellen Anlagen wird nicht mehr betriebsfähig sein. Es ist mit teilweisem oder vollständigem Einsturz ihrer Außenmauern zu rechnen. Alle niedrigen Wohnhäuser in Holzbauweise werden zerstört werden, niedrige in Betonbauweise errichtete Wohnanlagen werden größere Schäden davontragen, darunter auch den Einsturz von Dächern und Wänden.
Hoch aufragende Büro- und
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