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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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reine Fantasie –, sich vorzustellen, dass eine solche Entwicklung die erhöhte Emission von Treibhausgasen, die uns heutzutage so große Sorge bereitet, bis zu einem gewissen Grad ausgleichen könnte. Eine Ausweitung des Verbreitungsraums von Prochlorococcus und eine Zunahme der Population könnten sich sehr gut als eine Komponente des Selbstregulierungsmechanismus der Erde erweisen, der grundlegend für James Lovelocks berühmte Gaia-Theorie ist. Lovelock meint, dass man die Welt als ein unabhängiges lebendes Wesen ansehen müsse, das in der Lage sei, seine Existenzweise zu ändern und sich dem Wandel der äußeren Umstände anzupassen. Dieser merkwürdige Mikroorganismus könnte für uns noch wertvoller sein, als man zuerst gedacht hat, indem er nicht nur die Luft liefert, die wir atmen, sondern auf irgendeine Weise auch mit dem gefährlichsten Schadstoff, der sie verunreinigt, fertig wird. Doch das sind müßige Spekulationen: Es gibt keine Beweise dafür, es ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten.
    Und dies alles betrifft ein Wesen, von dessen Existenz wir, noch zwanzig Jahre nachdem der erste Mensch den Mond betreten hatte, nichts ahnten. Alle, die schon seit Langem behauptet haben, dass das Meer eine unbekanntere Entität für uns sei als der Weltraum, scheinen recht zu haben.
    Die großen Kräfte, die den Atlantik schufen, werden ihn in einer fernen – nach menschlichen Maßstäben einer unendlichen fernen – Zukunft auch wieder zerstören. Diese Kräfte, die zu den tektonischen Mechanismen des Planeten gehören, verstehen wir heute besser als in den 1960er Jahren, als man ihrer erstmals gewahr wurde; sie bleiben aber immer noch bis zu einem gewissen Grad geheimnisvoll. Einerseits sind sie wegen ihrer Komplexität so schwer zu durchschauen, andererseits aber auch aufgrund des gewaltigen Zeitraums, innerhalb dessen sie sich manifestieren. Wir sind gegenwärtig lediglich Zeugen der ersten schwachen Anfangsbewegungen, die die Topografie der Welt vollkommen verändern werden, die sich allerdings, so schwach sie auch sein mögen, katastrophal für die Menschheit auswirken können.
    Die Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis, die die Welt in den zwei Jahrtausenden erschüttert haben, in denen die Menschheit Aufzeichnungen über sie vorgenommen hat, sind zu ihrer Zeit immer als verheerende, Tod und Verderben bringende Ereignisse empfunden worden, während sie für uns heute nur noch mehr oder weniger bekannte geschichtliche Ereignisse darstellen: Das Erdbeben von Lissabon 1755, der Ausbruch des Krakatau 1883, das große Beben von San Francisco 1906, das von Tangshan 1976, der Tsunami an der Küste von Sumatra 2004. In einem planetarischen Kontext gesehen, sind solche Ereignisse mehr oder weniger ohne Bedeutung. Sie bringen winzige topografische Veränderungen oder Verlagerungen mit sich, die sich nur dann in signifikanter Weise auswirken, wenn es über Millionen von Jahren hinweg zu Millionen von ihnen gekommen ist. Der Tsunami vom 26. Dezember 2004 mag auf Sumatra eine Viertelmillion Menschen getötet haben und als eine der größten Naturkatastrophen aller Zeiten in die Geschichte eingegangen sein – doch er hat den Meeresboden südlich von Sumatra nicht mehr als ein paar Meter nach Norden geschoben, und das Meer südlich von Sumatra ist viele tausend Meilen breit. Es müsste eine Million Jahre lang zu Beben am Grund des Indischen Ozeans kommen, bevor die Welt dort ihr Aussehen auch nur minimal verändert hätte.
    Was die Tektonik betrifft, ist der Atlantik der am wenigsten für seismische Aktivitäten anfällige von allen Ozeanen. Der Boden des Indischen Ozeans ist wie zernarbt von Subduktionszonen und Spalten, und für Geologen war es keine Überraschung, dass der Tsunami von 2004 dort seinen Ursprung hatte. Der Pazifik ist fast zur Gänze von Vulkanen umgeben und wird von Japan bis Alaska, von Kalifornien bis Chile, von Kamtschatka bis Neuseeland fast unablässig von Beben erschüttert. Im Gegensatz dazu besitzt der Atlantik lediglich als geologischen Mittelteil den Mittelatlantischen Rücken, der sich zwar ständig öffnet und Lava ausstößt, dies aber in einer etwas lethargischen, gewissermaßen schläfrigen Manier tut. Wenn man das, was im Nachbarozean geschieht, zum Vergleich heranzieht, kann man kaum von vehementer seismischer Aktivität sprechen. Als 1930 vor der javanesischen Küste der Vulkan Anak Krakatau – das »Kind des Krakatau« – geboren wurde, geschah dies auf gewaltsame,

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