Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Forties«, und die Westwinde »röhren« oder brüllen dort tatsächlich unablässig.
Oder sie taten es zumindest. Während der letzten dreißig Jahre hat sich das Klima in diesen Breiten ein wenig gewandelt. Die Westwinde wehen nicht mehr so stark wie früher und scheinen nicht mehr so unablässig zu blasen, wie sie es einige Meilen weiter südlich noch tun. Es sieht beinahe so aus, als ob sich die Region der Westwinddrift, die bei Seeleuten – je nach Breitengrad – als »Roaring Forties«, »Furious Fifties« oder »Shrieking Sixties« bekannt ist, nach Süden, in Richtung Pol, verlagert hätte. Klimatologen beharren darauf, dass dies auf das vom Menschen verursachte sogenannte Ozonloch über der Antarktis zurückzuführen sei. Es scheint, als hätten die Winde sich diesem Loch angenähert, um es aufzufüllen, womit bewiesen wäre, dass die jahrtausendealte Behauptung, die Natur kenne einen Horror Vacui, zutrifft.
Diese Verlagerung der atlantischen Westwinde nach Süden zeitigte einen höchst unerwarteten Effekt: Sie hat warmes und stark salzhaltiges Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik rinnen lassen. Dies geschah aufgrund eines bis dahin unbekannten Phänomens in der Tiefsee, das die Bezeichnung »Agulhas Leakage« erhalten hat. Dieses warme und stark salzige Wasser scheint in die Nordbrasilienströmung zu fließen – eine höchst komplizierte, sich entlang der brasilianischen Küste nach Norden in Richtung Karibik bewegende Strömung. Man glaubt, dass dieses Wasser sich jenem, aus dem der Golfstrom entspringt, zugesellt und sich verändernd auf dessen Stärke, Temperatur, Salzgehalt und Richtung auswirken könnte.
Auf ihr leben weniger als dreihundert Menschen – sie bilden sieben Familien und sind alle miteinander verwandt: Tristan da Cunha, achtzehnhundert Meilen westlich der südafrikanischen Küste gelegen und der britischen Krone unterstellt, ist eine von der Außenwelt abgeschnittene, einsame Insel. Ihre Bewohner machen sich permanent Sorgen, dass der Vulkan auf ihr ausbrechen könnte, wie es 1960 geschah.
Das Wetter an den Ufern des Atlantiks und auf ihm wird sich noch weiter verändern – ob zum Positiven oder zum Negativen hin, vermag gegenwärtig noch niemand zu sagen. Sicher ist nur, dass, wenn sich neue und vehementere Hurrikans bei den Kapverdischen Inseln bilden, auf Montserrat Vulkane ausbrechen, bei Rotterdam das Meeresniveau steigt und in Ostgrönland das Eis schmilzt, wenn Schwarze und Weiße Raucher am Meeresboden weiter Hitze und trübes rötliches Licht abgeben und damit die Schwärme von thermophilen Bakterien in der Nähe des Mittelatlantischen Rückens nähren, wenn Surtsey sich erneut aufbaut und der Eyjafjallajökull Staub in die Atmosphäre bläst, wenn Island sich weiter teilt und die Kabel, die über die Grand Banks führen, wieder in Gefahr sind zu brechen, wenn Prochlorococcus sein Verbreitungsgebiet ausdehnt und noch mehr Sauerstoff in die Luft abgibt, und wenn, wie es derzeit geschieht, der Indische Ozean Wasser über den ganzen Atlantik hinweg in die Regionen um Gough Island, an der Küste Brasiliens und in die Karibik rinnen lässt – dass, wenn eines dieser Dinge oder alle geschehen und wenn mit zunehmender Häufigkeit die Frage laut wird, ob die Menschheit in der Lage ist, mit ihnen fertig zu werden, oder ob sie den Anfang vom Ende ihrer Beziehung zum wichtigsten aller Meere anzeigen, kein Zweifel daran bestehen kann, dass im Atlantik Merkwürdiges vor sich geht.
59 Im Nordpazifik werden solche Stürme nach dem kantonesischen Ausdruck für »großer Wind« ( da-feng ) Taifun genannt; während man, was den Indischen Ozean und den Südpazifik betrifft, bei der wissenschaftlichen Bezeichnung für einen Wirbelsturm, Zyklon, bleiben kann.
60 Weiter draußen besitzt die See überhaupt keinen typischen Eigengeruch; dieser kommt erst in Landnähe durch eine Reaktion von Dimethylsulfid mit Seetang zustande, man müsste also eigentlich von »Küstenluft« sprechen.
61 Damit soll nicht in Zweifel gezogen werden, dass man sich in den Kulturen Indiens und Chinas schon sehr früh für Geologie interessiert und es auf diesem Gebiet bereits weit gebracht hat; doch was die Neuzeit betrifft, haben die wesentlichen Entwicklungen in den Bereichen Seismologie und Vulkanologie nahezu ausschließlich im Westen stattgefunden.
Epilog
Sinkt der Schatten nieder,
legt sich Dämmer über die See
Die ganze Welt ist eine Bühne,
und alle Männer und Frauen bloße Spieler,
Sie
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