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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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von einer heroischen Rettungsaktion, die an einer entfernten Küste des Ozeans stattgefunden hatte, an der die Errettung von Schiffbrüchigen ganz undenkbar schien. Die Felsen, Riffe und Sandflächen an jenem Küstenstrich Südwestafrikas, der als Skeleton Coast (Skelettküste) bekannt war, machten das unmöglich.
    Das erste Schiff, das dort 1942 strandete – die Ursache für das Drama, das sich dann abspielte –, war die MV Dunedin Star , ein zum Zeitpunkt der Havarie sieben Jahre altes Kühlschiff von dreizehntausend Tonnen. Sie war auf einer Liverpooler Werft gebaut worden, verfügte über eine Stammbesatzung von vierundsechzig Seeleuten und hatte auf ihrer letzten Reise zusätzlich noch einundzwanzig Passagiere an Bord, die meisten von ihnen Londoner, die sich vor den deutschen Bombenangriffen in Sicherheit bringen wollten.
    Sie war mit Kurs Richtung Süden unterwegs. Es geschah in der Nacht des 29. November, einem Sonntag, als sie unvorsichtigerweise dicht an der Küste entlangfuhr, um deutschen U-Booten, die in tieferen Gewässern auf der Pirsch waren, zu entgehen. Die MV Dunedin Star prallte gegen das Clan-Alpine-Riff, das auf den Admiralitätskarten der Zeit mit dem ominösen Zusatz »PD« verzeichnet ist, was nichts anderes als »position doubtful«, also »genaue Lage unbekannt« bedeutet. Bei der Kollision wurde ihr Rumpf unterhalb der Wasserlinie aufgerissen, und dem Kapitän blieb nichts anderes übrig, als sie auf den Strand auflaufen zu lassen. Er schaffte es noch, einen SOS-Ruf abzusetzen, dann brach die Stromversorgung zusammen. Bevor der Motor des Rettungsbootes versagte, konnten die Passagiere und einundzwanzig Besatzungsmitglieder durch die tückische Brandung an den Strand gebracht werden, der aber an dieser Stelle, wo die Wüste quasi ins Meer überging, von lebensfeindlicher Unwirtlichkeit war. Der Rest der Crew war gezwungen, an Bord auszuharren.
    Im Lauf der nächsten Tage trafen vier Schiffe ein, um Beistand zu leisten. Eines davon, ein in Walvis Bay stationierter Hochseeschlepper, der nach einem ehemaligen Kolonialherrn auf den Namen Sir Charles Elliott getauft worden war , lief seinerseits auf Grund. Zwei Besatzungsmitglieder ertranken bei dem Versuch, an Land zu schwimmen. Einer davon war der Erste Maat, ein Schotte namens Angus Macintyre; sein Leichnam blieb verschollen. Bei dem zweiten Todesopfer handelte es sich um einen Namibier, Matthias Koraseb, der am Strand begraben ist und dessen Geist in dieser Wildnis umgehen soll: Im Heulen des Windes hört man angeblich seine Stimme.
    Die anderen drei Schiffe versuchten tapfer, den Schiffbrüchigen am Strand zu helfen. Die Männer dort hatten unterdessen Treibholz gesammelt und vergebliche Versuche unternommen, Fische zu fangen, während die Frauen und Kinder in provisorischen Unterständen Schutz vor der sengenden Sonne gesucht hatten. Die Matrosen der vor der Küste liegenden Schiffe versuchten, mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser beladene Flöße zu ihnen hintreiben zu lassen, die meisten gingen aber verloren; sie wurden von der starken Strömung in Richtung Norden mitgerissen oder kenterten in der tobenden Brandung. Dann fuhren die Schiffe, weil ihnen selbst die Essens- und Wasservorräte ausgingen, eines nach dem anderen ab. Ihren Kapitänen blieb nichts anderes übrig, als den Schiffbrüchigen mithilfe von Heliografen alles Gute zu wünschen.
    Daraufhin versuchten Flugzeuge der Air Force, Hilfe zu bringen. Zuerst warfen sie Proviant und Wasser über dem Strand ab – doch die Hilfspakete zerplatzten beim Aufprall, und die Schiffbrüchigen mussten entsetzt mitansehen, wie das kostbare Wasser in alle Richtungen spritzte und im Sand versickerte. Zwei der Maschinen, schwere Bomber vom Typ Lockheed Ventura, die mit Vorräten beladen waren, landeten dann in der Nähe der Unglücksstelle, ihre Fahrwerke versackten aber in den Sanddünen. Nach viertägigem angestrengtem Graben konnte eine der Maschinen aus dem Sand befreit werden, und sie schaffte es sogar abzuheben – stürzte aber eine halbe Stunde später ins Meer. Die Crew überlebte; die Männer konnten an Land schwimmen und wurden später gerettet.
    Was alle noch nicht wussten, war, dass ein aus Polizisten und Soldaten bestehender Rettungstrupp sich mühsam von Windhuk aus über Land einen Weg zum fünfhundert Meilen weiter südlich gelegenen Ort des Schiffbruchs bahnte. Die Bedingungen waren äußerst schwierig: Die ausgedehnten Flächen von tiefem Sand und die Salzbecken mit ihren

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