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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wichtigsten ist – auf die unerwartete und mysteriöse Weise, in der das Wasser strömt.
    Da diese Strömungen zu den Faktoren gehören, die sich am deutlichsten auf das Vorankommen eines Schiffs auswirken, wurde man in einem sehr frühen Stadium der Erforschung des Atlantiks auf sie aufmerksam. Sie schienen großen Unterwasserflüssen oder -strömen zu ähneln. Strömungen gehörten zu den ersten der vielen geheimnisvollen Charakteristika des Ozeans, über die man gut Bescheid wusste. Und keine war wohl berühmter als jener gewaltige, schnell fließende Ausläufer der Äquatorialströmung, die von ihrem Beginn bei Florida an als Golfstrom bekannt ist.
    Wie viele andere Seefahrer auf der ganzen Welt wurde Kolumbus auf die Strömungen aufmerksam – in seinem Fall auf die außerordentlich starken, die in den Gewässern der Karibik herrschten. »Ich stellte fest, dass das Meer sich so merkwürdig gen Westen bewegte«, trug er auf seiner dritten Reise ins Logbuch ein, als er die Fahrt durch die berühmten Bocas del Dragón (Drachenschlünde) zwischen Trinidad und dem venezolanischen Festland beschrieb, »dass ich zwischen der Stunde der Messe, da ich den Anker lichtete, und der Stunde des Komplets fünfundsechzig Leguas zu je vier Meilen zurücklegte, und dies bei sanftem Wind.« Es gibt auch Berichte von Peter Martyr, dem spanischen Hofhistoriker, einem der Ersten, die den gewaltigen potenziellen Nutzen des Golfstroms erkannten, über einen gescheiterten Versuch des Genuesen, vor der Küste von Honduras mit dem Kordellot Messungen vorzunehmen: Die »entgegenwirkende Gewalt der Wasser« trieb das Bleigewicht nach oben, so dass es kein einziges Mal auf dem Meeresboden aufkam.
    17 Hydrografen – in nautischen Kreisen »Droggies« genannt – gehören eigentlich eher dem hemdsärmeligeren Typ von Wissenschaftlern an; sie gerieren sich nur selten als Patrizier. In Monaco arbeiten sie aber aufgrund der Großzügigkeit von Fürst Albert gewissermaßen Tür an Tür mit Wissenschaftlern, die Patrizier sind oder gerne welche wären. Ihre Kollegen an der Universität von Monaco unterrichten beispielsweise Fächer wie Vermögensmanagement, Hedgefonds, Financial Engineering und etwas, das sich »Wissenschaft von Luxusgütern und -dienstleistungen« nennt, während die »Droggies« sich mit Leuchttürmen, Bojen und dem Ausbaggern von Fahrrinnen befassen.
    18 Es gibt in diesen obskuren Meeren auch einige höchst obskure Kaps und Landzungen, von denen der Name des nordrussischen Kap Vagina Seeleute aufhorchen lassen dürfte.
    19 Sand aus der Hammada um Bojador wird bis nach Brasilien getragen, wo er sich ablagert und dazu beiträgt, den alluvialen Boden im Amazonasbecken fruchtbar zu machen. Die dortigen Sojabohnenproduzenten wissen gar nicht, was sie den Sanddünen Marokkos verdanken.

© Knaus Verlag

Kolumbus befand sich aber zu weit südlich, um die gewaltige Kraft des Golfstroms zu erleben. Deren Entdeckung blieb seinem Nachfolger Ponce de Léon 20 vorbehalten, der 1513 auf seiner Suche nach der Quelle der ewigen Jugend auf den Golfstrom stieß. Zwar war seine Suche nach dem legendären Jungbrunnen nicht von Erfolg gekrönt, dafür erreichte er als erster Europäer Florida. Er kartografierte die Topografie dieser neuen Küste, die er für die einer Insel hielt, welche von ihm »La Florida « (Die Blühende) getauft wurde.
    Ponce schloss sich mit zwei weiteren Schiffen zusammen, die von Puerto Rico her nach Norden gefahren waren, und im Dreierverband segelte man weiter Richtung Süden, wobei man darauf achtete, dass Florida an Steuerbord immer in Sichtweite blieb. Eines Nachmittags, als sie vielleicht dreißig Meilen von der Küste entfernt waren, fühlten Ponce und seine Gefährten sich jäh in eine Strömung gezogen und in dieser gefangen, »so dass sie, obwohl sie einen kräftigen Wind [von achtern] hatten, nicht vorwärtszukommen vermochten, sondern zurücktrieben, wie es schien schnell, und so stellte sich am Ende heraus, dass die Strömung stärker war als der Wind«. Dieser breite Strom mitten im Meer, der, wie Ponce bald herausfand, erst nach Norden floss und dann nach Osten schwenkte, besaß eine gewaltige Kraft, gegen die nicht anzukommen war. Der Spanier begriff rasch, dass der Handel davon profitieren könnte: Wie schwierig es für Schiffe auch sein mochte, sich über die mittleren Regionen des Atlantiks hinweg nach Westen zu kämpfen, die Kraft dieses Flusses unter der Wasseroberfläche würde dafür sorgen, dass

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