Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Beaufort-Windskala kalibriert waren. Auf dem Weg nach Süden beobachtete und sammelte Darwin Exemplare der Tier- und Pflanzenwelt auf den Kapverdischen Inseln, den Peter and Paul Rocks, in Brasilien, Montevideo und Buenos Aires und auf den Falklandinseln. Auf der Rückfahrt drei Jahre später besuchte er St. Helena und Ascension, doch galt sein Hauptinteresse auf der ganze Reise immer der Geologie oder der Fauna an den Orten, an denen die Beagle anlegte – sich um die maritimen Phänomene zu kümmern, blieb in der Hauptsache ihrem Kapitän, Robert Fitzroy, überlassen.
Zu dem vielleicht denkwürdigsten Ereignis – für Darwin zumindest – kam es, als das Schiff im Begriff war, den heimatlichen Ozean zu verlassen und um Kap Hoorn herum in den Pazifik einzufahren. Fitzroy hatte drei sehr groß gewachsene Feuerländer an Bord genommen, die zwei Jahre zuvor als typische Vertreter ihrer Rasse zu »Forschungszwecken« eingefangen worden waren 22 und die man nach London verschleppt hatte, damit sie dort die englische Sprache erlernten, eingekleidet, in den Grundlagen des christlichen Glaubens unterwiesen sowie anderweitig »zivilisiert« würden. Diese Eingeborenen sollten jetzt in ihre Heimat zurückgebracht werden. Trotz ihrer eleganten Londoner Kleidung, ihrer geschliffenen Manieren und ihrer guten Englischkenntnisse sah Darwin sie als Geschöpfe an, die auf einer nur unwesentlich höheren Stufe als Tiere standen, und war daher kaum überrascht, als einer von ihnen, Jeremy Button (die beiden anderen waren eine Frau, die man Fuegia Basket getauft hatte, und ein Mann, den man York Minster nannte; ein vierter namens Boat Memory war an Blattern gestorben), in seine alte Lebensweise zurückfiel, nur wenige Tage nachdem man ihn in der Nähe von Kap Hoorn an Land gesetzt hatte. Kurze Zeit nachdem man ihn zurückgelassen hatte, begegnete man ihm, weil die vom Sturm zerzauste Beagle erneut ihren Anlegeplatz aufsuchen musste, wieder. Zur Verblüffung der Besatzung stand er in einem Zustand vor ihnen – mit zottigen Haaren und nahezu unbekleidet – wie zwei Jahre zuvor vor den Männern, die ihn gefunden hatten. Sosehr Darwin sich auch bemühte, konnte er den Eingeborenen nicht dazu überreden, wieder an Bord zu gehen und mit ihnen nach London zurückzukehren. Obwohl ihm die Galapagosfinken viel mehr verraten würden, lieferten auch diese bedauernswerten Patagonier ihm Anschauungsmaterial für seine später ausformulierten Gedanken zur Evolution: Jeremy Button hatte ihm gezeigt, dass das, was in der Bibel über die Erschaffung des Menschen stand, zumindest fragwürdig war, denn bekleidete Menschen konnten in den Zustand der Nacktheit zurückfallen, ganz gleich, was der Schöpfungsgeschichte zufolge im Garten Eden passiert war.
Zwei Expeditionen wurden zu Meilensteinen in der Geschichte der Erforschung des Atlantiks: Die erste wurde von einer Flottille amerikanischer Schiffe unternommen, die im Sommer 1838 von Norfolk in Virginia aus aufbrachen, die zweite von einem einzelnen Schiff der Royal Navy, das im Winter 1872 aus dem Hafen von Portsmouth in der Grafschaft Hampshire auslief. Die erste Unternehmung wurde unter der etwas großspurigen Bezeichnung »United States Exploring Expedition« bekannt, und hinsichtlich der Geschichte des Atlantiks erlangte sie vor allem durch die Nichtteilnahme eines bestimmten Mannes Bedeutung, der kurz vor ihrem Beginn die Einladung zur Mitfahrt ausschlug. Die zweite Expedition ist, wesentlich knapper, als Reise der HMS Challenger in die Geschichtsbücher eingegangen. Der wirre Verlauf der ersten ist heute noch Gegenstand von Diskussionen. Was die zweite betrifft, so zeugt schon die Tatsache, dass in jüngerer Vergangenheit eine der fünf amerikanischen Raumfähren nach dem britischen Dampfschiff benannt wurde, 23 vom Erfolg der fast genau ein Jahrhundert zuvor unternommenen, in mehr als einer Beziehung bahnbrechenden Fahrt.
Die amerikanische Unternehmung – zu ihrer Zeit zumeist salopp als Ex-Ex bezeichnet – war ein zu einem schlecht gewählten Zeitpunkt unternommener, schlecht organisierter und schlecht ausgeführter Versuch des Kongresses, den Geheimnissen der beiden an das Land angrenzenden Ozeane auf den Grund zu gehen, vor allem denen des Pazifiks. Unternommen wurde er vor allem aus kommerziellen Beweggründen: Die schnell expandierende Walfangbranche und die Robbenfelle verarbeitende Industrie benötigten dringend neue Jagdgründe, die man ausplündern konnte, und die Händler
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