Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Verwalter einer Goldmine, die kaum Gewinne abwarf. Und kurz nachdem er das Angebot abgelehnt hatte – als die Schiffe der Ex-Ex sich bereits ihren Weg über den Atlantik bahnten, von Debakel zu Debakel –, war er in einen Postkutschenunfall verwickelt, bei dem er sich das Becken und beide Beine brach. Der Unfall setzte der Karriere des Dreiunddreißigjährigen als aktiver Seeoffizier ein Ende. Diese Wende in seinem Leben hätte ihn sehr gut davon abbringen können, jemals wieder an die See oder an eine Seefahrt zu denken. Doch tatsächlich war das Gegenteil der Fall.

    Charles Wilkes von der US-Navy, der seemännische Leiter der Ex-Ex, wurde nach Abschluss des Unternehmens vor ein Kriegsgericht gestellt, weil er gegenüber seinen Leuten übergroße Härte an den Tag gelegt hatte. Man sah in ihm auch den Hauptverantwortlichen dafür, dass es bei der Expedition zu einem Debakel nach dem anderen gekommen war.
    Neun Jahre zuvor hatte Maury als junger Offizier auf dem ersten Schiff der US-Marine gedient, das jemals die Welt umsegelt hatte, der Vincennes , einer Schaluppe von siebenhundert Tonnen . Er hatte New York auf einem brandneuen und viel größeren Schiff, der Brandywine , verlassen, dann aber, nachdem er schon die Umsegelung von Kap Hoorn über sich hatte ergehen lassen und ausführliche Notizen darüber zu Papier gebracht hatte, wie man eine solche am besten absolvierte, Befehl erhalten, sich an Bord der in einem chilenischen Hafen liegenden Vincennes zu begeben. Die Heimreise hinterließ bleibenden Eindruck bei dem Farmerssohn aus Virginia, der auf einer armseligen, kaum Erträge einbringenden Besitzung in Tennessee aufgewachsen war. Die Route führte zunächst über Tahiti, Hawaii, Macao, die Philippinen, Borneo und Holländisch-Ostindien, dann quer über den Indischen Ozean nach Somalia, um Kap Agulhas herum und anschließend um das Kap der Guten Hoffnung zur Table Bay, wo man neue Vorräte an Bord nahm, bevor man dann schließlich über den Atlantik nach St. Helena fuhr und sich von dort aus von den konstant wehenden Südwinden – »einem Golfstrom in der Luft«, wie der faszinierte Maury es nannte – zurück nach Sandy Hook befördern ließ. Volle vier Jahre nachdem die Brandywine Maury fortgetragen hatte, ließ die Vincennes im Hafen von Brooklyn den Anker fallen.
    Er war nach dieser Reise ein anderer Mensch, jemand mit einer Mission – eine Mission, von deren Erfüllung ihn anscheinend nichts abzuhalten vermochte, weder Ablehnung noch Injurien. Auf jenem langen Segeltörn um einen großen Teil der Welt war er mit kompliziertesten Aspekten der Mathematik vertraut geworden und hatte eine Leidenschaft für See- und Landkarten, Strömungen, Gezeiten und Winde entwickelt, die ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen würde. Er war so besessen von der See und ihren physischen Geheimnissen, dass er, als seine Karriere als Deckoffizier neun Jahre später durch seinen Unfall beendet wurde, seine Vorgesetzten dazu bewegte, ihm einen Schreibtischjob zu übertragen, durch den er mit ihr in Berührung bleiben konnte. Zuerst wurde er zum Vorsteher des Depot of Charts and Instruments ernannt und 1844 zum Leiter des neu begründeten National Observatory. Als Inhaber dieser Stelle würde er für die folgenden dreißig Jahre für die von den USA in Angriff genommene Kartierung der Meere und die Erfassung aller in ihnen entdeckten bemerkenswerten Phänomene verantwortlich sein.
    Maurys größte Triumphe betrafen aber den Ozean, der gewissermaßen an seine Türschwelle schwappte, den Atlantik. 1854 legte er eine epochemachende Seekarte vor. A Bathymetrical Chart of the North Atlantic Basin with Contour Lines drawn in at 1.000, 2.000, 3.000 and 4.000 fathoms stützte sich auf die Sondierungen mit dem Senkblei, zu denen er so vielen Marineschiffen den Befehl erteilt hatte, wie er aufzutreiben vermochte – es waren nicht sehr viele, was die Karte weniger genau und umfassend werden ließ, als der lange Titel suggeriert –, und lieferte eine überaus wichtige Erkenntnis.
    Sie bewies, basierend auf den unanfechtbaren Daten, die seine Vermessungsschiffe nach Hause gebracht hatten, dass der Ozean entlang einer Linie, die auf halber Strecke zwischen der europäischen und der amerikanischen Küste mehr oder weniger von Norden nach Süden zu verlaufen schien, beträchtlich flacher wurde. Er nannte diese Erhebung im Meeresboden nach einem seiner Schiffe »Dolphin Rise«. Es war der erste Hinweis auf die Existenz dessen, was heute

Weitere Kostenlose Bücher