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Der Atlantis-Komplex

Der Atlantis-Komplex

Titel: Der Atlantis-Komplex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Halluzination!«
    Dann wechselte er wieder nahtlos über zur Paranoia. »Du hast das alles geplant«, fauchte er Holly an. »Wer sind deine Partner? Foaly, klar. Butler? Hast du meinen treuen Leibwächter gegen mich aufgehetzt? Hast du ihm den Verstand geraubt und ihm Lügen eingetrichtert?«
    Von ihrem Platz auf dem Dach konnte Holly über ihren angeschlagenen Helmlautsprecher nur jedes zweite Wort verstehen, aber das genügte, um ihr klarzumachen, dass Artemis nicht mehr der nüchterne Denker war, den sie kannte.
    Wenn der alte Artemis den neuen Artemis sehen könnte, würde er vor Verlegenheit sterben.
    Genau wie Butler in Cancún hatte auch Holly Mühe, in ihrer düsteren Situation ihren rebellischen Sinn für Humor im Zaum zu halten.
    »Geh in Deckung!«, rief sie. »Die Sonde ist echt!«
    »Ja, das hättest du gern, dass ich das denke. Aber diese Sonde ist nichts weiter als ein Teil eurer geheimen Verschwörung …« Artemis hielt inne. Wenn die Sonde ein Teil der Verschwörung war, und wenn die Verschwörung echt war, dann musste auch die Sonde echt sein. »Fünf!«, stieß er plötzlich aus, nachdem er die Zahlen einen Moment lang völlig vergessen hatte. »Fünf, zehn, fünfzehn.«
    Er richtete alle seine Finger auf die Sonde und wedelte hektisch damit.
    Ein Zehn-Finger-Gruß. Der wird diese Vision verschwinden lassen.
    Und tatsächlich schien das Fingergewedel Wirkung zu zeigen. Die vier scheibenförmigen Triebwerke, die hinter der eigentlichen Sonde hergezerrt worden waren wie hilflose Welpen hinter ihrem durchgeknallten Herrchen, drehten sich plötzlich um und begannen, Antigravitationsladungen auszustoßen, die in dicken Blasen Richtung Erde wallten und den Sturz der Sonde schneller abfingen, als man es bei einem Raumschiff von so wuchtigen Ausmaßen für möglich gehalten hätte.
    »Ha!«, krähte Artemis. »Ich kontrolliere meine eigene Wirklichkeit. Hast du das gesehen, Holly?«
    Holly war klar, dass Artemis keineswegs auch nur irgendetwas kontrollierte, sondern lediglich dem Landemanöver einer unterirdischen Raumsonde beiwohnte. Und sie wusste genau, dass es lebensgefährlich war, unter einem solchen Koloss zu stehen, wenn er im Landeanflug war. Mit den Fingern zu wedeln wie ein drittklassiger Bühnenzauberer änderte nichts an dieser Erkenntnis.
    Ich muss irgendwie hochkommen , dachte sie.
    Doch der Schmerz in ihren Beinen drückte sie nieder wie eine Bleidecke.
    Ich glaube, mein Becken ist gebrochen. Und vielleicht auch der eine Knöchel.
    Holly verfügte über eine ungewöhnlich starke Magie, dank einer Energiespritze von ihrem Freund, dem Dämon Nr. 1, der, wie sich herausgestellt hatte, der mächtigste Zauberlehrling war, den die Akademie je gesehen hatte, und diese Magie arbeitete auch bereits an der Heilung ihrer Verletzungen, aber offenbar nicht schnell genug. Artemis blieben nur noch wenige Sekunden, bis eine von den Antigravitationsblasen ihn in Stücke riss und die Sonde buchstäblich auf seinem Kopf landete. Man musste kein Genie sein, um sich ausmalen zu können, was dann mit ihm geschehen würde − und das war gut so, denn Artemis war offensichtlich kein Genie mehr.
    »Hilfe«, rief sie schwach in ihr Helmmikro. »Hallo, ist da noch irgendwer?«
    Es kam keine Antwort. Diejenigen, die im Shuttle gesessen hatten, waren jenseits aller Magie, und Foaly steckte immer noch in der Schneewehe fest.
    Selbst wenn da noch jemand ist, jetzt ist es zu spät.
    Gewaltige Risse bildeten sich im Eis, als die Antigravitationsladungen auf die Oberfläche trafen. Mit einem trockenen Knacken zogen sie sich durch den Gletscher und öffneten große Krater zu den darunterliegenden Felshöhlen.
    Die Sonde, die so groß war wie ein Getreidesilo, schien sich gegen den bremsenden Zug ihrer Außentriebwerke zu stemmen, denn sie stieß Dampfwolken und Flüssigkeitsstrahlen aus.
    Artemis bekam eine Dusche aus Raketentreibstoff ab, was es schwierig machte, die Existenz des Raumschiffs zu leugnen. Doch eins hatte Artemis nicht verloren, nämlich seine Sturheit, und so blieb er trotzig, wo er war, ohne sich dem verzweifelten Aufschrei seines letzten Rests von gesundem Menschenverstand zu beugen.
    »Wen kümmert’s?«, murmelte er.
    Zufällig hörte Holly die Worte, und sie dachte: Mich kümmert’s .
    Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen.
    Wir haben ja nichts zu verlieren , dachte Holly, tastete nach dem Holster an ihrem Oberschenkel und zog mit einer etwas weniger schnittigen Bewegung als sonst

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