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Der Atlantis-Komplex

Der Atlantis-Komplex

Titel: Der Atlantis-Komplex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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ziemlich unprofessionell war, allerdings hatte Artemis zuvor das Keyboard des Lehrers so präpariert, dass es immer nur »Jingle Bells« spielte, ganz gleich, welche Tasten er drückte.
    »Ich habe gar nichts vor«, sagte Orion. »Ich lebe, und ich bin hier. Weiter nichts. Ich habe Artemis’ Erinnerungen, aber nicht sein Wesen. Und ich nehme an, dass ich mein plötzliches Erscheinen dem zu verdanken habe, was die Unterirdischen als Atlantis-Komplex bezeichnen.«
    Foaly wedelte mit dem Zeigefinger. »Netter Versuch, aber der Atlantis-Komplex manifestiert sich normalerweise in Form von Zwangsstörungen und Wahnvorstellungen.«
    »Ich meine das zweite Stadium.«
    Foaly hielt einen Moment inne, um sein nahezu fotografisches Gedächtnis zu konsultieren. »Im zweiten Stadium kann sich der Atlantis-Komplex darin äußern, dass der Betroffene Anzeichen mehrerer verschiedener und vollkommen wesensfremder Persönlichkeiten zeigt.«
    »Und weiter?«
    »Das zweite Stadium kann sowohl durch ein geistig-seelisches Trauma als auch durch einen körperlichen Schock wie beispielsweise einen Stromschlag ausgelöst werden.«
    »Na bitte. Holly hat auf mich geschossen.«
    Foaly scharrte mit dem Huf im Schnee. »Das ist das Problem mit Wesen unseres Intellekts. Wir können den ganzen Tag lang miteinander debattieren, ohne dass einer von uns einen nennenswerten Nutzen daraus zieht. So ist das eben, wenn man ein Genie ist.« Der Zentaur lächelte. »Sieh mal, ich habe ein F gemalt, für Foaly.«
    »Ausgezeichnete Arbeit«, sagte Orion. »Und so gerade Linien. Dafür braucht man geschickte Hufe.«
    »Wem sagst du das«, erwiderte Foaly. »Ich bin echt ein Talent, aber für diese Art von künstlerischem Ausdruck gibt es einfach kein Forum.«
    Foaly war sich durchaus bewusst, dass er nur über Hufmalerei schwafelte, um sich vom Ernst der Lage abzulenken. Er hatte Holly schon in so mancher Krisensituation geholfen, aber er war bisher selten live bei einer dabei gewesen.
    Diese Videoübertragungen bringen die Gefühle nie so richtig rüber , dachte er. Ich mache mir vor Angst fast in die Hose, aber das kann keine Helmkamera übermitteln.
    Es beunruhigte Foaly zutiefst, dass jemand es geschafft hatte, sich in seine Raumsonde einzuhacken und die Amorphoboter umzuprogrammieren. Es machte ihm Angst, dass dieser Jemand sich nicht um das Leben von Erdwesen, Menschen oder Tieren scherte. Und ihm brach kalter Angstschweiß aus bei der Vorstellung, dass Holly womöglich etwas zustoßen könnte und es dann an ihm und diesem hirnlosen Pseudo-Artemis hing, Haven City zu warnen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er dabei von Nutzen sein könnte, sofern es nicht um geistreiche Sprüche und die rasante Bedienung eines V-Boards ging. Artemis hätte gewusst, was zu tun wäre, aber der war anscheinend gerade nicht auf Sendung.
    Plötzlich wurde Foaly bewusst, wie sehr die Situation seinem schlimmsten Alptraum ähnelte. Was, wenn ihm am Ende Caballine tatsächlich einen Bürstenschnitt verpasste! Ihm war es sehr wichtig, stets die Kontrolle zu behalten, doch jetzt saß er mit einem angeschlagenen Menschenjungen auf einem Gletscher fest und musste zusehen, wie das einzige Wesen, das sie retten konnte, gegen einen unterirdischen Fluss ankämpfte.
    Dann wurde sein bisheriger schlimmster Alptraum schlagartig auf den zweiten Platz verwiesen, als die Rettungskapsel mit Holly darin vom Eis verschluckt wurde. Das Loch wurde sofort von ein paar Eisbrocken verschlossen, und bevor Foaly auch nur entsetzt nach Luft schnappen konnte, war es, als hätte es die Kapsel nie gegeben.
    Foaly sank auf seine Vorderbeine. »Holly!«, rief er verstört. »Holly!!«
    Auch Orion war verzweifelt. »Oh, Captain Short. Ich hatte Ihnen doch noch so viel sagen wollen, über die Gefühle, die Artemis und ich Ihnen entgegenbringen. Sie waren so jung, hatten noch so viel zu geben.« Dicke Tränen liefen ihm über die Wangen. »Oh, Artemis, du dummer Kerl. Du hattest so viel und wusstest es nicht.«
    Eine bohrende, quälende Trauer überkam Foaly. Holly war tot. Und mit ihr die einzige reale Hoffnung, Haven City zu warnen. Wie sollte ihm das nun gelingen, ihm und diesem versponnenen Menschenjungen an seiner Seite, der jeden zweiten Satz mit dem Wort »oh« begann?
    »Halt die Klappe, Orion! Jemand ist gestorben. Ein echtes, lebendes Wesen.« Das Eis unter Foalys Vorderbeinen war hart und ließ ihre Lage noch verzweifelter erscheinen.
    »Ich habe nicht viel Erfahrung mit echten Leuten«,

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