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Der Atlantis-Komplex

Der Atlantis-Komplex

Titel: Der Atlantis-Komplex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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hatte eine eckige, unnatürliche Form. Unter dem schweren Spitzenstoff ihres Rocks stachen die Knochen hervor. Ihr eines Lid hing halb herunter, das andere Auge war ganz geschlossen, und tiefe Schatten lagen in den Furchen, die die Zeit in ihr Gesicht gegraben hatte.
    »Turnball. Stattlich wie eh und je. Wie wunderbar, dass du wieder frei bist.« Leonors Stimme war nur ein gequältes Krächzen.
    »Jetzt, wo du zu Hause bist«, brachte sie mühsam hervor, »kann ich endlich sterben.«
    Turnballs Herz setzte einen Schlag aus. Dann begann es wild zu pochen, und ein Band aus glühender Hitze wand sich um seinen Kopf. War denn alles vergebens, was er jemals getan hatte?
    »Nein, du kannst nicht sterben«, erwiderte er aufgebracht und rieb seine Daumenspitze, um die Rune zu erwärmen. »Ich liebe dich. Ich brauche dich.«
    Leonors Lider flatterten. »Stimmt, ich kann nicht sterben«, wiederholte sie. »Aber warum nicht, Turnball? Ich bin zu alt, um zu leben. Nur meine Sehnsucht, dich wiederzusehen, hat mich am Leben gehalten, aber meine Zeit ist abgelaufen. Ich bedaure nichts, außer dass ich nie wieder geflogen bin. Ich wollte so gerne, aber ich habe es nicht getan … Warum eigentlich nicht?«
    Meine Macht über sie lässt nach. Der alte Zauber wirkt nicht mehr.
    »Du hast ein Leben mit mir gewählt, Liebste«, sagte er und eilte die letzten Schritte auf sie zu. »Doch jetzt, wo ich das Geheimnis ewiger Jugend entdeckt habe, wirst du wieder jung sein, und bald wirst du fliegen, wohin du willst.«
    Turnball spürte einen winzigen Druck, als ihre zerbrechliche Hand seine Finger umschloss. »Das würde mir sehr gefallen, mein Lieber.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Turnball und dirigierte seine Frau zum Aufzug. »Aber jetzt solltest du dich ein wenig ausruhen. Ich habe noch eine Menge zu erledigen, bevor wir aufbrechen.«
    Leonor ließ sich von ihm führen, wie immer machtlos, ihrem charismatischen Mann zu widerstehen.
    »Mein guter Turnball. Immer da, um mich zu retten. Aber eines Tages werde ich dich retten.«
    »Das tust du bereits«, sagte Turnball, und er meinte es ernst. »Und zwar jeden Tag.«
    Ein Stachel der Schuld bohrte sich in sein Herz, als ihm klarwurde, dass er Leonor niemals erlauben durfte, wieder zu fliegen. Denn konnte sie fliegen, würde sie womöglich davonfliegen.
    Turnball war schockiert, wie schwach Leonor geworden war, und ihre Schwäche machte ihm Angst. Irgendwie hatte allein die Tatsache, dass sie einen Unterirdischen geheiratet hatte, ausgereicht, um ihren Alterungsprozess zu verlangsamen, doch nun sah es so aus, als könne er ihren Verfall nicht länger aufhalten. Turnball nahm die Angst um seine Frau, verwandelte sie in Zorn und ließ diesen an seiner Mannschaft aus.
    »Wir haben die historische Gelegenheit«, brüllte er die paar Gestalten an, die in der Bibliothek im zweiten Stock vor ihm standen, »unserem alten Feind einen tödlichen Stoß zu versetzen und uns obendrein einen unerschöpflichen Vorrat an Magie zu beschaffen. Wenn eine von euch nutzlosen Gefängnisratten bei der Durchführung dieses Plans versagt, den ich mir in den endlosen einsamen Monaten zurechtgefeilt habe, wird es keinen Winkel auf dieser Erde geben, wo ihr vor mir sicher seid. Ich werde euch aufspüren und euch die Haut vom Schädel ziehen. Habt ihr verstanden?«
    Hatten sie. Für gewöhnlich waren Turnballs Drohungen vage und wortreich, aber wenn er so knapp und deutlich wurde, war es dem Captain bitter ernst.
    »Dann ist es ja gut.« Turnball holte tief Luft. »Ist alles bereit, Quartiermeister?«
    Quartiermeister Ark Sool trat vor. Sool war ein ungewöhnlich hochgewachsener Gnom, der vor nicht allzu langer Zeit noch Officer in der Aufsichtsbehörde der ZUP gewesen war. Nachdem er im Zuge einer Untersuchung seiner moralischen Integrität zum einfachen Soldaten degradiert worden war, hatte Sool den Dienst quittiert und beschlossen, das Wissen, das er in Jahrzehnten der Verbrechensaufklärung gesammelt hatte, zu nutzen, um sich eine Portion von dem Gold zu verdienen, von dem Gnomen geradezu hypnotisch angezogen wurden. Er hatte im »Beschwipsten Papagei« seine Dienste feilgeboten und war wenig später von Turnball engagiert worden, zunächst anonym, doch nun standen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
    »Jawohl, Captain, alles bereit«, antwortete er zackig und nahm Haltung an. »Das Shuttle, das wir vom Abschleppparkplatz der ZUP requiriert haben, ist als atlantisches Krankenshuttle getarnt worden. Und da es

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