Der Attentäter - The Assassin
alles darauf hinauszulaufen, dass irgendein Offizier der irakischen Nationalgarde schwor, die Gelder seien an die richtige Organisation weitergeleitet worden. Deren Mitglieder hätten ihre Waffen abgegeben und seien nun Freunde der Vereinigten Staaten … Kealey konnte dieses Gerede nicht für bare Münze nehmen, weil sich nie etwas änderte.
Aus diesem Grund hatte er beschlossen, bei dem bevorstehenden Treffen ein Risiko einzugehen. In diesem Fall hatte er Beweise für finanzielle Unregelmäßigkeiten, doch wenn es schiefging, konnte das seine Handlungsweise nicht rechtfertigen. Was er vorhatte, war eine völlig eigenmächtige Aktion, und wenn er nicht mit einem Haufen wertvoller Informationen zurückkam, würde Harper ihn mit fast hundertprozentiger Sicherheit endgültig bei der CIA hinauswerfen. Doch wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass ihm auch das mittlerweile ziemlich egal war. Er hatte die Nase voll von diesem Job, ihm war alles gleichgültig.
Sie bogen von der Hauptstraße ab und kamen in ein Viertel, in dem offenbar einige der schlimmsten Kämpfe stattgefunden hatten. Ein kleiner Junge beobachtete die vorbeikommenden Fahrzeuge für ein paar Augenblicke und verschwand dann hinter einer mit Farbe besprühten niedrigen Betonmauer: DIE AMERIKANER BRINGEN FRAUEN UND KINDER UM, SADDAM IST IMMER NOCH UNSER FüHRER. Etwas weiter vorn sah Kealey zwei Kämpfer vor einem der wenigen nicht zerstörten Häuser stehen. Ansonsten war die Straße verwaist. Er wandte sich Owen zu. »Halt mal kurz an.«
Als Owen bremste, informierte Kealey über Funk die Fahrer der nachfolgenden Autos.
Owen studierte durch die Windschutzscheibe die Szenerie. »Was denkst du?«
»Irgendwas gefällt mir nicht«, antwortete Kealey. »Andererseits gefällt mir in diesem Land praktisch gar nichts.« Er dachte ein paar Augenblicke nach. »Ich werde Walland bitten, zu wenden und mit dem dritten Fahrzeug zurückzubleiben. Dadurch müsste er von der Ladefläche des Pick-ups eine freie Schusslinie haben, wenn’s ernst wird. Ich will, dass sie diese beiden da vorne im Auge behalten, aber wie gesagt, wahrscheinlich halten sich auch in den umliegenden Gebäuden bewaffnete Männer auf.« Er blickte Owen an. »Sobald ich in dem Haus bin, wartest du einen Moment und wendest dann auch. Falls etwas passiert, rechnen sie damit, dass wir in Richtung Schnellstraße verschwinden. Dann ist das Überraschungsmoment auf unserer Seite, wenn wir Ernst machen müssen.«
Owen nickte. Die Straße führte in westlicher Richtung durch das Zentrum von Falludscha und war die schnellste Verbindung zu dem Militärstützpunkt außerhalb der Stadt. »Wenn du losfährst«, fuhr Kealey fort, »behältst du die beiden Wachtposten da im Auge und achtest darauf, was sie tun. Falls du etwas siehst, das dir nicht gefällt, drückst du zweimal auf den Squelch-Knopf deines Funkgeräts. Sie werden mir meins nicht abnehmen.«
Owen nickte erneut. Kealey nahm noch einmal Kontakt zu den Toyotas hinter ihnen auf, dann fuhren sie weiter, um kurz darauf vor den Wachtposten zu bremsen. Kealey gab Owen sein Gewehr.
Der nahm es zögernd an. »Wenn etwas schiefgeht, werden wir dir da drin nicht helfen können.«
»Ich weiß«, antwortete Kealey. »Mach dir um mich keine Sorgen. Beobachte einfach die beiden Männer.« Er griff nach seinem Rucksack und stieg aus dem Wagen.
Als er sich der Haustür näherte, forderte ihn einer der beiden Wachtposten auf, die Hände zu heben. Er tat es, und der Mann filzte ihn, wobei er auch kurz das rechts an seinem Gürtel baumelnde PRC-148-Funkgerät in Augenschein nahm. Als der Wachtposten fertig war, wollte er nach dem Rucksack greifen, doch Kealey zog ihn zurück.
»Der ist für Kassem«, sagte er leise auf Arabisch, doch sein Ton duldete keine Widerrede. »Gehen Sie rein und fragen Sie ihn, wenn’s sein muss, aber diesen Rucksack rührt außer ihm niemand an. Er wird Ihnen dasselbe erzählen.«
Der Kämpfer, dessen Gesicht teilweise durch eine Kufija verborgen war, musterte ihn mit einem ruhigen Blick seiner braunen Augen. Kealeys Miene blieb unbewegt. Schließlich trat der Wachtposten zurück, und er ging in das dunkle Haus.
4
London
In London regnete es. Eine junge Frau eilte die New Bond Street hinab und presste die aufgeschlagenen Revers ihres Mantels aneinander, um ihre Bluse zu schützen. Tatsächlich war sie schon bis auf die Haut durchnässt, obwohl sie erst vor fünf Minuten das kleine Café an der Oxford Street
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