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Der Attentäter - The Assassin

Der Attentäter - The Assassin

Titel: Der Attentäter - The Assassin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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Worte.
    Haines wandte den Blick von der seltsamen Szene ab, umrundete ein weiteres Auto und bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge. Davor stand ein älterer Mann in Uniform, die Hände an den Kopf gepresst, laut und unverständlich stammelnd. Haines hörte genauer hin und verstand trotz der hysterischen Stimme ein paar Worte: »… war nicht meine Schuld. Ich schwöre bei Gott, es war nicht meine Schuld. Sie sind direkt vor meinen Bus gestürzt. Sie alle waren doch Zeugen …«
    Und dann fiel sein Blick auf die Vorderseite des Busses.
    Es sah aus, als hätte jemand rote Farbe über den Kühlergrill gespritzt. Trotzdem brauchte er ein paar Augenblicke, um zu begreifen, was passiert war. Seine Augen bewegten sich unwillkürlich nach unten. Er erblickte einen schrecklich entstellten menschlichen Körper und dahinter eine zweite Leiche, die eines Jungen. Seine Glieder waren gebrochen, und eine Frau in mittleren Jahren, wahrscheinlich die Mutter, lag auf seinem leblosen Körper und schluchzte hemmungslos. Zwei Polizisten tauchten auf. Einer ging zu der Frau, half ihr behutsam auf und führte sie von ihrem Sohn weg, während der andere die Umstehenden aufforderte, ein paar Schritte zurückzutreten. Haines spürte, wie jemand seinen Arm berührte, und drehte sich um. Es war Scott. Seine Miene war schwer zu deuten, auf seinem glatten, jugendlichen Gesicht spiegelten sich zugleich Entsetzen und Aufregung.
    »Hast du es gesehen?«
    »Nein«, antwortete Haines. »Du?«

    Scott packte seinen Arm und zog ihn von den Schaulustigen weg. Die Leute rannten hin und her und redeten durcheinander, sodass man sich kaum unterhalten konnte. Als sie genügend Abstand hatten, sagte Scott: »Ich habe alles gesehen. Mein Gott, ich stand direkt hinter dem armen Hund, als es passierte. Der Fahrer hat ihn noch über die halbe Straße geschleift, bevor er die Geistesgegenwart hatte, endlich zu bremsen.«
    Haines antwortete nicht. Er konnte an nichts anderes denken als an die über der Leiche ihres Sohnes kauernde Frau, konnte ihr vom Schmerz gezeichnetes Gesicht nicht vergessen. Schließlich sickerten Scotts Worte durch. »Was ist passiert?«
    »Er wurde gestoßen. Ich …«
    » Gestoßen? Bist du sicher?«
    Scott nickte energisch. »Wie gesagt, ich habe es genau gesehen. Der Junge stand nur im Weg. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, das ist alles, aber der Araber wurde mit Sicherheit gestoßen. Mit voller Absicht.«
    Haines ließ es zu, dass Scott ihn fortzog, in Gedanken war er weiter bei der Frau. Seine Reaktion erschien ihm unbegreiflich. Während seiner Zeit beim Parachute Regiment hatte er sehr viel Schlimmeres gesehen - von Kugeln zerrissene Männerkörper an einem Strand der Falklandinseln, die schrecklichen Szenen nach einem Mörserangriff während der Schlacht um Goose Green und die Folgen eines Bombenanschlags in Warrenpoint in Nordirland. Bei diesem letzten Vorfall waren zwei Bomben strategisch an einer Straße in der Nähe der Grenze platziert worden. Dem Anschlag waren achtzehn Männer aus Haines’ Regiment zum Opfer gefallen. Er war als einer der Ersten am Ort der Verwüstung eingetroffen - tatsächlich wäre er der zweiten Explosion fast noch selber zum Opfer gefallen -, doch all das war nur noch eine ferne Erinnerung. Nordirland war
ein Krieg gewesen, und die Toten waren Berufssoldaten, tapfere Männer, die sich der Risiken bewusst waren. Nichts davon erschien ihm als so schlimm wie das von Schock und Verzweiflung gezeichnete Gesicht, das er gerade gesehen hatte, und auch jetzt, Minuten später, war er sich sicher, dass ihn das Bild der Frau noch jahrelang in seinen Träumen verfolgen würde.
    »Wer hat ihn gestoßen? Warum bist du ihm nicht gefolgt?«
    »Die Menschenmenge um mich herum hat sich sofort geschlossen«, antwortete Scott. »Ich habe ihn in dem Chaos aus den Augen verloren. Viel habe ich sowieso nicht gesehen. Er trug eine Baseballkappe und eine schwarze Jacke, und wenn ich mich nicht täuschen, war er blond, aber beschwören könnte ich es nicht …«
    Scott erzählte weiter, während sie den Strand verließen, und kurz darauf überquerten sie den Chandos Place in Richtung Bedford Street. »Was ist mit dem Auto?«, fragte Haines.
    »Scheiß auf das Auto. Die Straße ist mindestens noch eine Stunde komplett gesperrt. Wir müssen zurück und Bericht erstatten. Robeson wird nicht glücklich sein, aber wenn du mich fragst, hätten wir absolut nichts tun können …«
    »Die Fotos …«
    Scott

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