Der Attentäter - The Assassin
warum der Kurier sie aufgefordert hatte, ein Taxi zu nehmen. Bis zum British Museum war es ein gutes Stück, und das konnte nur bedeuten, dass Khalil zu Fuß nach Charing Cross gehen wollte. Die U-Bahn-Haltestelle lag am anderen Ende des Strand, und wenn sie Khalils Anweisungen befolgt hätten, wären sie dort ungefähr zur gleichen Zeit eingetroffen wie er. Nach ein paar Augenblicken wurde seine Vermutung bestätigt, denn er sah den Kopf des Kuriers hin und wieder aus der Menschenmenge auftauchen.
Zumindest sah es so aus , als wäre es derselbe Mann. Er musste zu ihm aufschließen, wenn er ihn mit Sicherheit identifizieren wollte, glaubte aber, sich nicht zu täuschen. Als er gerade schneller gehen wollte, tat ihm der Kurier einen Gefallen, denn er blieb vor einem Schaufenster mit kostspieligen Uhren stehen. Als die Menschenmenge sich einen Moment teilte, konnte er das Profil des Mannes deutlich erkennen. Der Augenblick ging schnell vorüber, aber er hatte ihn erkannt. Jeder Zweifel war ausgeschlossen, als er die schwarze Aktentasche sah. Auch nach Ende der Mittagspause war die Straße kein bisschen weniger belebt. Menschenmassen wälzten sich über die Bürgersteige. Der Regen hatte nachgelassen, es fielen nur noch vereinzelte Tropfen aus den niedrig hängenden, grauen Wolken.
Er ging weiter, ließ sich von der Menge treiben. Nachdem er den Kurier erblickt hatte, konnte er nun nach Anzeichen Ausschau halten, ob er observiert wurde. Wie aufs Stichwort kam der grüne Opel näher, und er konnte das Kennzeichen deutlich erkennen. Erleichtert erkannte er, dass Raseen die Nummer richtig gelesen hatte. Es war das gleiche Auto. Nach fünf Minuten fuhr es noch einmal an ihm vorbei, doch unter den Passanten schienen ihm keine verdächtigen Zeitgenossen zu sein. Aber dieser Eindruck war möglicherweise trügerisch;
er konnte von Beobachtern umzingelt sein, ohne dass er je etwas davon erfahren würde. Unglücklicherweise blieb ihm keine Zeit, sich eingehender mit dem Problem zu befassen, Charing Cross war keine fünf Minuten entfernt. Wenn er handeln wollte, musste er es schnell tun.
Der Kurier war etwa zehn Meter vor ihm. Er legte einen Schritt zu, und der Abstand verringerte sich schnell.
In dem grünen Opel drückte Ian Haines wütend auf die Hupe, weil er auf der verstopften Maiden Lane nur noch im Schneckentempo vorankam. Da der Regen aufgehört hatte, schaltete er die Scheibenwischer aus und lehnte sich zurück. Er atmete tief durch und stellte sich resigniert auf eine längere Wartezeit ein. Noch immer konnte er einfach nicht fassen, dass der Araber das Hotel vor dem Eintreffen der Ablösung verlassen hatte. Nerven hatten diese Leute... Wäre der gedankenlose Dreckskerl nur fünf Minuten länger in seinem Zimmer geblieben, wäre der Schichtwechsel glatt über die Bühne gegangen, aber es war anders gekommen. Jetzt konnte es darauf hinauslaufen, dass der Start ins Wochenende sich um Stunden verzögerte. Und angesichts der genervten, humorlosen Funksprüche konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Scott die Nase genauso voll hatte wie er.
»Er geht immer noch den Strand hinab, Richtung Südwesten. Wo zum Teufel bist du, Ian?«
»Maiden Lane … Mein Gott, ich weiß nicht, warum es hier nicht weitergeht. Wahrscheinlich ein Unfall. Hast du eine Ahnung, wohin er will?«
Ein Schwall von Störgeräuschen, dann: »Ich bin kein bisschen klüger als du, Kollege. Aber eins kann ich dir versichern. Wenn er die U-Bahn nimmt, sitzen wir in der Scheiße.«
»Da sagst du was«, murmelte Haines vor sich hin. Aber trotz der verfahrenen Situation konnte er sich damit trösten, dass es seinen Vorgesetzten im Thames House, dem Hauptquartier des MI5, wahrscheinlich ziemlich egal war, wenn sie den Banker aus den Augen verloren. Eigentlich konnte der Mann nicht besonders wichtig sein, denn sonst hätte man ihn von einem kompletten Team observieren lassen. Aber vielleicht machte er sich etwas vor, denn er wusste, dass die Personaldecke des MI5 zu knapp war. Trotz der ständigen Bedrohung durch Terrorakte und einer seit den Londoner Bombenanschlägen vom 7. Juli 2005 aufgeschreckten Öffentlichkeit waren nicht genug Leute im Einsatz, doch das war nicht das einzige Problem. Der Inlandsgeheimdienst brauchte dringend mehr Geld; bei dem Budget, das für den MI5, den MI6 und die Government Communications Headquarters gemeinsam aufgestellt wurde, waren seit dem letzten Jahr zweihundertfünfzig Millionen Pfund mehr bewilligt worden, aber
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