Der Attentäter - The Assassin
Morgen, um Viertel vor fünf in der Frühe, wurde ein Sicherheitsbeamter der deutschen Botschaft mit einer Schusswunde im Oberarm in das University Hospital in Georgetown eingeliefert, zehn Minuten später ein Cop der Washingtoner Polizei. Der hatte eine Gehirnerschütterung fünften Grades und üble Blessuren im Gesicht und am Hals. Nur für den Fall, dass Sie es nicht wissen … Eine Gehirnerschütterung ersten Grades ist der unbedenklichste, eine fünften Grades der schlimmste Fall, bei dem die Bewusstlosigkeit über zehn Minuten andauert. Dieser Cop hat fast fünf Stunden gebraucht, um wieder zu sich zu kommen.« Andrews schien seine Gedanken zu ordnen, und als er weitersprach, hatte er seine Stimme vor Erregung kaum noch unter Kontrolle. »Eine halbe Stunde nach der Einlieferung des Polizisten tauchte hier bei uns, am Tor zum Dolley Madison Boulevard, ein blauer Ford Taurus auf, übrigens ein Auto aus unserem Wagenpark, und hinter dem Steuer saß Ryan Kealey. Da er nichts dabeihatte, womit er sich ausweisen konnte, ließen unsere Wachtposten seine Angaben überprüfen. Er blutete wie ein Schwein und hat den Boden des Wächterhäuschens zugesaut … Einen gefliesten Boden mit vielen Sprüngen. Wie ich höre, ist die Bescherung immer noch nicht beseitigt.« Er legte die Unterarme auf den Schreibtisch, verschränkte die Finger und blickte Harper an. »Es kotzt mich an, dass Sie vor mir von dieser Geschichte wussten. Aber natürlich ist uns beiden klar, dass das noch nicht
alles ist. Schließlich haben Sie diesen Einbruch in die Botschaft von Anfang an unterstützt, oder?«
»Falls Sie damit andeuten wollen, ich hätte befürwortet, was dort letzte Nacht geschehen ist …«
»Ich will gar nichts ›andeuten‹, denn ich weiß , was Sie getan haben. Wie sonst hätte Kealey an das Auto aus unserem Wagenpark herankommen sollen? Mir ist bewusst, dass wir ihm viel verdanken, aber er ist seit etlichen Jahren hier und weiß offenbar immer noch nicht, dass es auch bei uns bestimmte Regeln gibt. Sie haben Ihre Spuren gut verwischt, aber lassen wird das, ich habe weder die Zeit noch die Geduld, um den heißen Brei herumzureden. Was wollten Sie damit erreichen? Rühmanns Verbindung zu den Anschlägen in Bagdad und Paris ist allenfalls eine Vermutung. Glauben Sie wirklich, das Wissen um seinen Aufenthaltsort ist es wert, die Konsequenzen in Kauf zu nehmen, mit denen wir jetzt rechnen müssen?«
»Sir, wir haben es geschafft, Rühmann mit Kassem, Vanderveen und al-Umari in Verbindung zu bringen …«
»Schon möglich, aber es hat nicht gereicht, um den Präsidenten zu überzeugen, oder? Und was ist, wenn uns die Rechnung für den Einbruch präsentiert wird?«
Bevor Harper etwas sagen konnte, piepte leise das Telefon, und Andrews griff nach dem Hörer. Nach ein paar harten, abweisenden Worten legte er wieder auf.
»Wir warten auf Ihre Antwort«, schaltete sich Ford ein.
Harper ignorierte sie und wandte sich an den Direktor. »Hören Sie, die Deutschen oder das FBI können noch so sehr suchen, sie werden weder in ihren Datenbanken noch in dem Gebäude einen Fingerabdruck von Kealey finden. Gut, er hat Blut in der Botschaft verloren, aber sie haben nichts, womit sie das Resultat der Analyse vergleichen könnten. Ich habe mit
ihm gesprochen. Daher weiß ich, dass er vor seinem Eindringen in die Botschaft die Überwachungskameras funktionsuntüchtig gemacht hat. Es gibt keine Möglichkeit, uns diese Geschichte anzuhängen. Gut, zwei Leute wurden verletzt … Na und? In unserem Geschäft lässt sich das hin und wieder nicht vermeiden. Tote hat es nicht gegeben. In ein paar Wochen ist diese Angelegenheit vergessen, und wir haben es nur Kealey zu verdanken, dass wir jetzt konstruktiv weiterarbeiten können …«
»Ich glaube nicht, dass Sie den Ernst der Lage richtig einschätzen«, sagte Ford mit finsterem Blick. »Falls jemand nur andeutet , wir könnten etwas mit dem Einbruch zu tun haben, sind unsere diplomatischen Beziehungen zu Deutschland nicht nur belastet, sondern zerstört.«
»Wir sind hier nicht im Außenministerium«, fuhr Harper sie an. »Und Sie sitzen nicht mehr im Geheimdienstausschuss des Kongresses. Es ist nicht unsere Aufgabe, diplomatische Beziehungen zu pflegen. Will Vanderveen hat amerikanische Soldaten und Bürger getötet und ist ein unversöhnlicher Feind unseres Landes. Meiner Ansicht nach können wir mit ein paar verletzten Gefühlen an der diplomatischen Front gut leben, wenn wir dafür die Chance
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