Der Attentäter - The Assassin
Sie lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und legte den Kopf zur Seite. Alles an ihrer Körpersprache deutete auf eine ruhige, entspannte Frau. »Wir brauchen alle Dokumente, die uns mit Kanada und dem Material in Verbindung bringen könnten, auch über finanzielle Transaktionen, und zwar sofort. Leider haben wir Grund zu der Annahme, dass ein Mann von einer amerikanischen Regierungsbehörde nach Berlin unterwegs ist, um Sie zu befragen, und das wollen wir verhindern.«
»Was wohl heißt, dass Sie mich umbringen wollen«, sagte Rühmann.
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Raseen leise. »Wir wollen nur die Dokumente. Natürlich müssen Sie uns begleiten, aber wir haben nicht die Absicht, Sie zu töten. Dafür sind Sie und Ihre Kontakte für unsere Organisation viel zu wichtig.«
»Und wo ist Karl?«
»Keine Ahnung. Wir haben ihn zuletzt in Potsdam gesehen.«
Rühmann dachte einen Augenblick nach. Sein Gesicht war unbewegt, aber Raseen wusste, dass sein Gehirn fieberhaft arbeitete.
»Sie sagen, dass mir eine amerikanische Regierungsbehörde auf der Spur ist?«
»Ja.«
»Wie haben sie herausgefunden, dass ich in Berlin bin?«
»Wir wissen es nicht genau. Ihren Namen haben sie von Mason, aber das erklärt nicht, warum sie Ihren Aufenthaltsort kennen.« Raseen legte eine Kunstpause ein. »Es könnte natürlich etwas mit dem Einbruch in die deutsche Botschaft zu tun haben. Ich nehme an, Sie haben davon gehört.«
»Arschlöcher«, zischte Rühmann mit wutverzerrtem Gesicht. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen mich aus der Datenbank löschen. Tausend Mal habe ich es ihnen gesagt …«
Raseen machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist nicht mehr wichtig. Jetzt zählt nur noch, Sie an einen sicheren Ort zu bringen, zusammen mit den relevanten Dokumenten.«
» Relevante Dokumente? Wenn ein Amerikaner herkommt, muss ich alles vernichten.«
»Wie?«
»Ich habe spezielle Tüten, wie sie das Militär und die CIA benutzten, sogenannte burnbags . Für den Fall, dass alles schnell gehen muss. Der Inhalt verbrennt, aber die Tüte bleibt heil. Ich habe durch Beziehungen ein paar auftreiben können.«
»Und der Computer? Ich nehme an, Sie haben einen.«
»Ja, einen Laptop. Ich muss die Festplatte herausnehmen.« Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um alles zu durchdenken, angestrengt auf seine Hände starrend. Dann: »Wo wollen Sie das Material einsetzen?«
Vanderveen schaltete sich ein. »Das müssen Sie nicht wissen.«
»Unsinn!« Rühmann warf ihm einen wütenden Blick zu. »Die Amerikaner sind hinter mir her. Ich denke, ich habe ein Recht, es zu wissen.«
»Es geht Sie nichts an.«
Der Österreicher schien es nicht zu hören und sackte vor ihren Augen in sich zusammen, mit resignierter Miene. »Ich wusste von Anfang an, dass es ein Fehler war«, sagte er leise. »Dieses Ding ist zu groß, war von vornherein zu groß für mich … Begreifen Sie nicht? Wenn Sie dieses Material in den Vereinigen Staaten einsetzen, bin ich am Ende. Die Amerikaner wissen, dass ich in Al Qaqaa war. Sie haben es geschafft,
die Geschichte geheim zu halten, aber ein paar Leute wissen, was dort gestohlen wurde.« Er blickte Vanderveen und Raseen an, stieß aber auf unbewegte Mienen. »Dies hat doch nicht etwa etwas mit Paris zu tun? Mit dem Mord an dem irakischen Minister?« Seine Stimme wurde lauter. »Was ist mit dem Premierminister und dem Anschlag in Bagdad? Gehörte der auch zu einem umfassenderen Plan? Antworten Sie!«
»Sie haben die Waffen geliefert«, bemerkte Vanderveen leise. »Und Sie hatten eine Ahnung, wo sie hingingen.«
Rühmann schien ihn nicht zu hören. »Ich hätte mich aus dieser Geschichte heraushalten sollen«, murmelte er. »Sie ist zu groß. Ich bin für alle Zeiten erledigt.«
»Sie haben das Geld genommen«, sagte Raseen. »Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher.«
»Sie werden die Spur zu mir zurückverfolgen.« Der österreichische Waffenschieber sah ganz elend aus. »Tausende werden sterben. Sie werden so lange suchen, bis sie mich gefunden haben.«
»Sie können nichts beweisen«, log Vanderveen. Er wusste, dass Rühmann der Hauptverdächtige für den Diebstahl im Waffendepot Al Qaqaa im Jahr 2003 war. Es war nie beabsichtigt gewesen, dass die Amerikaner etwas von Rühmanns Verwicklung in die Vorbereitung des bevorstehenden Anschlags erfahren sollten, doch da er mit Mason in Zusammenhang gebracht worden war, würde die Verbindung letztlich auffliegen; es war unvermeidlich.
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