Der Attentäter - The Assassin
Frauen hatte es nie gegeben. Es gab nur eine Ausnahme. Der einzige Mensch, der ihm je wichtig gewesen war und den er wirklich geliebt hatte, war seine Cousine Fatima.
Sie war eine Cousine ersten Grades, die Tochter des jüngsten Bruders seines Vaters. Als Kinder waren sie in Teheran Nachbarn gewesen, und von Anfang an hatte ihn seine Zuneigung zu Fatima verwirrt. Sie war ein eher unscheinbares Mädchen, nicht besonders hübsch oder gar bezaubernd, aber sie hatte seine Zuneigung erwidert, und es gab etwas zwischen ihnen, von dem er wusste, dass er es in seinem Leben kein zweites Mal finden würde. Sie bedeutete ihm alles. Er platzte vor Stolz, als sie zum Studium an der Azad-Universität zugelassen wurde, war extrem eifersüchtig, als ihre Heirat mit einem Kommilitonen arrangiert wurde, und überglücklich, als ihr Verlobter drei Wochen vor der Eheschließung bei einem Autounfall ums Leben kam. Sobald er in den Vereinigten Staaten in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebte, flehte er sie an, ihm nach Amerika
zu folgen, aber sie lehnte das Angebot unter Berufung auf ihre Arbeit ab. Trotzdem standen sie sich weiter sehr nahe, und er reiste so oft wie möglich nach Teheran, um sie zu besuchen. Dutzende von Malen wiederholte er sein Angebot, aber es war sinnlos. Und dann, im letzten Jahr, war der Kontakt plötzlich abgebrochen, ohne jede Vorwarnung. Keine Telefonate, keine Briefe, nichts …
Ihr Schweigen war unerträglich. Er war verzweifelt und wollte herausfinden, was los war, wusste aber nicht, wie er es anstellen sollte. Ihre Eltern waren tot, wie seine eigenen, und zu seinen Geschwistern hatte er schon jahrelang keinen Kontakt mehr. Fatimas einziger Bruder war ebenfalls bereits gestorben, an den Spätfolgen einer schweren Verwundung aus dem iranisch-irakischen Krieg. Er hatte keine Ahnung, wo sie arbeitete, sie war dem Thema stets ausgewichen. Als er nachhakte, speiste sie ihn mit nichtssagenden allgemeinen Formulierungen ab. Schon immer hatte er vermutet, sie arbeite auf die eine oder andere Weise für die Regierung. Aber er konnte nicht sicher sein, und selbst wenn er Recht gehabt hätte, wäre ihm damit nicht geholfen gewesen; er hatte keine Beziehungen zu dem Regime. In Kürze, niemand konnte ihm sagen, was aus ihr geworden war. Monatelang litt er, allenfalls durch seine Arbeit abgelenkt. Er war unfähig, sie zu vergessen.
Dann kam der Schicksalstag. Fünf Monate nach ihrem Verschwinden rief ein Mann in seinem Büro in Manhattan an, der behauptete, Informationen über Fatimas Verbleib zu haben. Er war sofort mit einem persönlichen Treffen einverstanden. Am nächsten Tag begegnete er Erich Kohl zum ersten Mal, und die Auskunft des Deutschen bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen - seine geliebte Cousine war tot.
Weder hatte Kohl je erklärt, warum er von Fatimas Schicksal
wusste, noch hatte er sich darüber ausgelassen, weshalb er über Material verfügte, das an ihrem Tod keinen Zweifel ließ. In seiner Trauer kam ihm nie der Gedanke, danach zu fragen, und es war ihm auch egal. Der Deutsche hatte ihm Dokumente des FBI über einen Einsatz in Washington gezeigt, bei dem zwei Iraner ums Leben gekommen waren. Eines der beiden Opfer war seine Cousine. Die Aktion hatte vor fünf Monaten stattgefunden, ungefähr zu der Zeit, als sie aufgehört hatte, ihn anzurufen. Plötzlich wurde ihm einiges klar; ihre Arbeit für die iranische Regierung war alles andere als ein normaler Job gewesen. Nichts in den FBI-Unterlagen ließ jedoch darauf schließen, dass ihr Tod etwas mit politischen Hintergründen zu tun gehabt haben könnte. Stattdessen war von der Vollstreckung eines wichtigen Haftbefehls die Rede, bei dem einiges schiefgegangen war. Die Akte enthielt einen detaillierten Bericht über den Verlauf des Einsatzes, der mit einer Beschreibung der letzten Minuten von Fatima Darabis Leben endete. Der klinisch-sachliche Stil hatte ihn vor Wut zittern lassen.
Die Akte hatte auch Fotos enthalten, aber er war nicht in der Verfassung gewesen, einen längeren Blick darauf zu werfen. Was er sah, hatte er aber nie vergessen, und dadurch verwandelte sich seine Liebe für sein neues Land in etwas vollständig anderes. Kohl hatte ihm eine Woche Zeit zum Nachdenken gelassen und ihm dann ein einfaches Angebot gemacht. Irgendwann in der Zukunft, sagte er, werde er ihm eine Chance bieten, die Chance, den Amerikanern zu demonstrieren, dass ihre Taten nicht einfach hingenommen würden. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer,
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