Der Attentäter - The Assassin
C.
»Die Typenbezeichnung ist BLU-82«, sagte Kealey zehn Minuten später. Er hatte mit Harpers Computer einige Abbildungen der Bombe heruntergeladen, und Kharmai und Harper studierten gerade die Ausdrucke. Außerdem hatten sie einige der Bilder nach Montreal gefaxt. Jetzt warteten sie auf eine Bestätigung von Liman, dem Eigentümer des Lagerplatzes.
»Die Abkürzung steht für Bomb Live Unit«, fuhr Kealey fort, »aber die Bombe ist wegen ihrer speziellen Wirkung gemeinhin eher unter dem Namen ›Daisy Cutter‹ bekannt. Bis vor kurzem war sie die größte konventionelle Bombe in unserem Arsenal. Wie Sie sehen, ist sie sehr groß und wiegt knapp siebentausendfünfhundert Kilo. Die Konstruktion ist extrem simpel … Die Stahlhülle wiegt verhältnismäßig wenig, über sechstausend Kilo des Gesamtgewichts entfallen auf Ammoniumnitrat und Aluminiumpulver.«
Harper blickte auf. »Hier steht, die Bombe wurde hauptsächlich in Vietnam benutzt, um im Dschungel Landezonen für Helikopter zu schaffen. Dann ist sie also schon ziemlich alt …«
»Aber immer noch sehr effektiv«, versicherte Kealey. »Wir haben sie auch in Afghanistan und im Irak eingesetzt, hauptsächlich aus psychologischen Gründen. Lassen Sie mich erklären, was ich damit meine. Im ersten Golfkrieg wurde aus einer C-130 eine Daisy Cutter auf eine irakische Stellung außerhalb
von Kuwait City abgeworfen. Fünf Minuten später meldete sich eine Patrouille des britischen SAS und fragte, ob wir eine taktische Atomwaffe eingesetzt hätten. Die Briten waren über hundertfünfzig Kilometer von der Stelle des Bombeneinschlags entfernt, sahen aber die gigantische Rauchwolke und hielten sie für einen Atompilz … Das zeigt, wie zerstörerisch und beeindruckend die Daisy Cutter ist.«
Kharmai blickte besorgt und irritiert von ihren Papieren auf. »Was würde die Bombe anrichten, wenn jemand sie in einer Stadt einsetzte?«
Kealey schaute auf seine Hände und überlegte, wie er es am besten erklären sollte. »Ich erinnere an den Anschlag von Oklahoma City. Die Bombe, die das Alfred P. Murrah Building zerstörte, hatte nur etwa ein Drittel der Größe der Daisy Cutter. Wenn Vanderveen wirklich diese Bombe hat und sie in New York explodieren lässt, bleibt im Umkreis von gut dreihundert Metern kein Gebäude stehen, und die Druckwelle wird noch in etlichen Kilometern Entfernung Fenster zersplittern lassen. Es kommt darauf an, wo er sie zündet, aber die Opferzahl wird wahrscheinlich in die Tausende gehen.«
»Mein Gott«, stöhnte Harper, der ganz bleich geworden war.
Eine halbe Minute herrschte Schweigen, dann sagte Kharmai: »Ursprünglich stammt die Bombe doch aus amerikanischen Beständen, oder? Rühmann muss sie aus dem Depot in Al Qaqaa gehabt haben. Wenn wir jemanden finden, der bestätigt, dass sie von dort stammt, können wir das dem Präsidenten vortragen. Er muss seine Teilnahme an dem Treffen bei den Vereinten Nationen absagen. Ich meine, man erwartet dort nicht nur die Vereinigte Irakische Allianz. Auch der amerikanische Außenminister wird da sein, ganz zu schweigen von
den Mitgliedern der Vollversammlung. Wenn wir Brenneman etwas Überzeugendes präsentieren, muss er absagen.«
»Uns bleibt keine Zeit mehr«, sagte Harper. »Das Treffen ist für morgen Nachmittag angesetzt, und die irakische Delegation ist bereits heute Morgen in New York eingetroffen. Selbst wenn ich noch rechtzeitig einen Termin bei Brenneman bekommen könnte, wird er mehr Beweise sehen wollen, als wir ihm bieten können. Vergessen Sie nicht, dass ich im Augenblick im Weißen Haus eine Persona non grata bin, und Sie beide sind offiziell nicht mehr aktiv.«
»Uns bleibt nichts übrig, als es zu versuchen«, sagte Kealey. »Ich nehme an, dass der Vorfall in Al Qaqaa seinerzeit gründlich untersucht worden ist. Vielleicht können wir eine Liste aller an dieser Untersuchung beteiligten Personen bekommen. Eventuell ist jemand bereit, uns genau zu sagen, was sich in dem Waffendepot befunden hat.«
»Das lässt sich bis morgen früh erledigen«, sagte Harper. »Das Material unterliegt bestimmt der Geheimhaltung, aber das Problem lässt sich umgehen.«
»Am wichtigsten ist, dass wir Hakim Rudaki finden«, warf Kharmai ein. »Wenn jemand weiß, wie’s weitergeht, dann er.«
»Oder Samantha Crane«, murmelte Kealey.
»Was wir gegen Crane in der Hand haben, sind allenfalls Indizienbeweise«, sagte Harper. »Wir müssen dieses Thema vorerst zurückstellen. Zunächst sollten wir
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