Der Attentäter - The Assassin
versuchen, Rudaki aufzutreiben.«
Bevor jemand darauf antworten konnte, klingelte erneut das Telefon. Harper nahm ab, sagte ein paar Worte und legte auf. »Liman hat gerade bestätigt, dass in Rühmanns Container definitiv eine BLU-82 gelagert war. Er hat unseren Leuten die Erlaubnis gegeben, ihn aufzubrechen, aber er war leer.«
»Mist«, sagte Kharmai enttäuscht. »Wir müssen ihn um ein paar Stunden verpasst haben.«
»Haben wir an der Grenze eine Chance?«, fragte Kealey.
»Ich bezweifle es«, sagte Harper bedächtig. »Es sieht so aus, als hätte Vanderveen alles umsichtig geplant. Ich glaube nicht, dass er ohne die erforderlichen Formulare an der Grenze aufkreuzt, und wenn alles in Ordnung ist, lassen sie ihn problemlos passieren.«
»Können wir nicht wenigstens den Zoll benachrichtigen?«
»Ich selbst kann es nicht tun. Das muss über das Heimatschutzministerium abgewickelt werden. Dafür brauche ich eine Aussage von diesem Liman aus Montreal. Wenn die eintrifft, kann ich sie den richtigen Leuten zukommen lassen. Womöglich ist er sowieso längst über die Grenze.«
»Wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Kharmai.
»Mit Rudaki, wie du eben gesagt hast.« Kealey wandte sich Harper zu. »Wir müssen mit ihm reden. Sofort.«
Harper antwortete nicht sofort. »Die letzten Tage haben meiner Vertrauenswürdigkeit nicht unbedingt genutzt«, sagte er schließlich. »Mir fällt niemand mehr ein, der mir einen Gefallen schuldig wäre. Angesichts dessen, was wir bis jetzt haben, glaube ich nicht, dass Andrews noch mal die Strippen für mich ziehen wird.«
»Er muss uns helfen, es hängt zu viel davon ab«, sagte Kealey. »Es ist mir egal, wie Sie es schaffen, aber ich muss persönlich mit Rudaki reden, gleich morgen früh.«
»Ich kann immer noch eines unserer Flugzeuge organisieren«, sagte Harper. »Zuerst rufe ich Andrews an und versuche, ihn zu überreden, mit dem Boss des FBI in New York einen Termin abzumachen.« Harper glaubte, Kealey noch auf etwas hinweisen zu müssen. »Es ist unwahrscheinlich, doch falls
es dazu kommt, werden Sie dort von FBI-Beamten umringt sein. Hoffentlich ist Ihnen das klar. Und wenn Rudaki etwas verschweigt, holen Sie es durch freundschaftliches Geplauder bestimmt nicht aus ihm heraus.«
»Darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn ich da bin«, sagte Kealey. »Hauptsache, Sie arrangieren das Treffen.«
»Ich werde mein Bestes tun.« Harper griff nach dem Telefon und blickte auf die Uhr. »Das hier wird eine Weile dauern. Warum ruhen Sie sich nicht ein bisschen aus?«
»Aber …«
»Sie sollten schlafen«, sagte Harper im strengen Tonfall eines Vorgesetzten. »Vielleicht schauen Sie mal in den Spiegel … Sie sehen völlig fertig aus. Wenn ich es schaffe, den Flug zu arrangieren, geht er gleich morgen früh. Dann sollten Sie ausgeruht sein.«
Kealey nickte zögernd und stand auf. Als Harper wählte, verließ er gemeinsam mit Kharmai den Raum.
45
Washington, D. C. / Fort Erie, Kanada
Kealey lag im Bett, in einem der Gästezimmer im ersten Stock. Er hatte das Sweatshirt ausgezogen, die Jeans aber anbehalten. Es war dunkel, nur das trübe Licht einer Straßenlaterne sickerte durch das Doppelfenster. Er hatte zu schlafen versucht, weil er wusste, dass es dringend notwendig war, aber ihm gingen zu viele Gedanken durch den Kopf. Nachdem sie Harpers Büro verlassen hatten, war er mit Kharmai nach unten gegangen, wo sie sich eine Weile mit Julie unterhalten hatten. Die beiden Frauen hatten ein Glas Wein getrunken, er Bier. Aber er hatte sich mit zwei Flaschen begnügt, weil er am nächsten Morgen einen klaren Kopf haben wollte.
Nach einer Stunde hatte Harper sie wieder nach oben gerufen. Die Neuigkeiten entsprachen nicht dem, was sie sich erhofft hatten, waren aber nicht durchweg schlecht. Andrews hatte Harper seine Theorie abgekauft, hauptsächlich deshalb, weil er Kealeys Namen ausgelassen hatte. Anschließend rief Andrews den Boss des New Yorker FBI zu Hause an und erklärte ihm die Lage. Zwanzig Minuten später hatte Harper ihn selbst an der Strippe, und sie vereinbarten für den nächsten Morgen um elf ein Gespräch zwischen Naomi Kharmai und Hakim Rudaki, das in dem Gebäude an der Federal Plaza 26 in Manhattan stattfinden sollte. Mehr konnte Harper nicht herausholen, Andrews war strikt dagegen, Kealey in die Nähe des iranischen Informanten zu lassen, insbesondere in einem Gebäude des FBI. Bei
Kharmai machte er eine Ausnahme, weil sie in seinen Augen nicht so viel
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