Der Attentäter - The Assassin
auf dem Kerbholz hatte wie Kealey.
Er war glücklich, dass wenigstens einer von ihnen die Chance bekam, mit Rudaki zu reden, aber ihm war bewusst, dass Kharmai sich nicht zu viel davon versprechen durfte. Seiner Ansicht nach standen ihre Chancen, etwas aus dem Iraner herauszuholen, nicht besonders gut. Der hatte es immerhin geschafft, die Führungsetage des FBI davon zu überzeugen, dass seine Informationen verlässlich waren, wahrscheinlich mit Samantha Cranes Hilfe. Und das war das nächste Problem. Crane würde einem Treffen Kharmais mit Rudaki allenfalls dann zustimmen, wenn sie selbst anwesend war. Trotz Harpers Warnung vor voreiligen Schlüssen war er weiter davon überzeugt, dass Crane mit Vanderveen unter einer Decke steckte, und die Vorstellung, dass der mit einer mörderischen Bombe im Gepäck auf dem Weg nach New York war, machte ihn ganz krank. Er wusste nicht genau, wie Vanderveen in den Besitz der Bombe gekommen war, hegte aber keine Zweifel daran, dass er sie am nächsten Tag zünden wollte. Falls es ihm gelang, würde die Opferzahl der des 11. Septembers 2001 vergleichbar sein. So weit durfte es auf keinen Fall kommen.
Er dachte noch länger darüber nach, doch irgendwann überkam ihn die Müdigkeit, und in seinem Kopf begann alles zu verschwimmen. Mit geschlossenen Augen daliegend, lauschte er dem gegen das Fenster schlagenden Regen, dem Geräusch eines gelegentlich auf der nassen Straße vorbeikommenden Autos. In dem Haus war es fast völlig still. Aus irgendeinem Grund wollte er Lärm und Geräusche um sich haben, die ihn von den Erinnerungen ablenkten, die ihn in der Dunkelheit heimsuchten. Er unterdrückte sie, so lange es ging, aber irgendwann schickte er sich in das Unvermeidliche.
Dass ihn die Vergangenheit gerade hier einholte, war nicht überraschend. Fast ein Jahr war er nicht in Harpers Haus gewesen. Bei seinem letzten Besuch war er mit Katie gekommen, und er erinnerte sich erstaunlich genau an jede Einzelheit. Mit gutem Grund, denn in jener Nacht hatte er sie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle. Auf dem Rückweg zum Hotel hatte er noch einmal angehalten und sie mit einem Mondscheinspaziergang im Rock Creek Park überrascht. Es lag Schnee, und auf einer Brücke über einem zugefrorenen Bach hatte er ihr den Ring geschenkt. Wider Erwarten hatte sie Ja gesagt, und damit hatte sein Leben die alles entscheidende Wendung genommen.
Er versuchte, die Erinnerungen zu verdrängen, aber es ging nicht. Für einen Augenblick wünschte er, wieder im Irak zu sein, wo er sich einreden konnte, dass nichts passiert war, dass sie immer noch lebte. Alles hätte er dafür gegeben, noch einmal in das Haus auf Cape Elizabeth zurückkehren zu können, wo sie auf ihn warten würde, mit geöffneten Armen, glänzenden Augen und jenem spöttischen Lächeln auf den Lippen. Wieder drohten die Gedanken einen stechenden Kopfschmerz auszulösen, doch bevor ihn die Erinnerung ganz überwältigen konnte, hörte er ein leises Klopfen an der Tür. Dann fiel ein Lichtstrahl in das Zimmer.
Er setzte sich auf und sah Kharmai in der Tür stehen, vor dem Hintergrund des warmen Lichts im Flur. Sie trug ein weites T-Shirt, eine baumwollene Trainingshose und keine Schuhe. Ihre zögernden Schritte ins Zimmer ließen darauf schließen, dass sie sich ihrer Entscheidung nicht sicher war, doch dann stand sie vor seinem Bett und setzte sich auf die Kante. Er wartete, aber sie wusste offenbar nicht, was sie sagen sollte. Nach einer Weile brach er das Schweigen. »Wie geht’s deinem Arm?«
Er sah sie in dem trüben Licht lächeln. »Es ist das erste Mal, dass du mich danach fragst.«
Ihm fiel auf, dass sie recht hatte. »Tut mit leid, Naomi. Ich hatte den Kopf immer so voll …«
»Ich auch«, sagte sie. »Aber dem Arm geht’s gut. Als du hochgegangen warst, hat Julie den Verband gewechselt. Sie war mal Krankenschwester.«
»Das hätte doch ich machen können.«
Sie nickte knapp, antwortete aber nicht, ganz in Gedanken verloren. »Was wird morgen, Ryan? Was soll ich Rudaki fragen?«
»Keine Ahnung«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Diese Entwicklung entspricht nicht dem, was ich mir vorgestellt hatte.«
»Warum sollte er mit mir reden? Was könnte ich sagen, damit er mit der Wahrheit herausrückt?«
»Ich weiß es nicht. Stundenlang habe ich darüber nachgedacht, aber wir werden einfach abwarten müssen, was sich aus der Situation ergibt. Ehrlich, ich bin zu müde, um jetzt noch weiter darüber nachzudenken.«
»Ich
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