Der Attentäter - The Assassin
dass er nur noch ihre Leiche finden würde. Er war wie paralysiert vor Angst, den nächsten Schritt zu tun, doch dann hörte er den Schrei einer Frau, unmittelbar gefolgt von Schüssen. Crane, die bereits drei Meter hinter der Tür war, schien zu zögern, eilte dann aber weiter. Als er vier weitere Schüsse hörte, sprintete auch er los. Er rief Crane hinterher, sie solle warten, doch sie ignorierte es und stürmte in das Büro, mit beiden Händen die Glock umklammernd. Auf den letzten Metern hörte er zwei weitere Schüsse. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, wusste aber, dass er das Büro betreten musste.
Als Foster am Boden lag, bückte sich Kharmai, um seine Waffe aufzuheben. Der Revolver war leer, und bis jetzt war erst einer der drei Männer ausgeschaltet. Ihr Schädel brummte so stark, dass sie kaum etwas hörte, und vor ihren Augen verschwamm alles. Trotzdem erkannte sie, dass Foster noch lebte, doch es würde nicht mehr lange dauern. Seine Augen bewegten sich, sein Mund stand offen, und auf seiner Brust breiteten sich dunkle Flecken aus. Dann hörte sie ein merkwürdiges Geräusch, als er trotz des Blutes in seiner Kehle zu atmen versuchte. Es war das erste Mal, dass sie einen Menschen getötet hatte, und
sie war erschüttert, doch dann durchschnitt ein Geräusch die Stille. Sie hörte einen Mann schreien, und obwohl sie nichts verstand, war ihr klar, dass es Vanderveen sein musste.
Ihr Kopf schoss in die Höhe, zusammen mit Fosters Waffe, doch statt Vanderveen sah sie eine blonde Frau in einem schwarzen Pullover, die eine Waffe in der Hand hielt. Obwohl sie Samantha Crane nie persönlich begegnet war, hatte sie doch Fotos von ihr gesehen, und sie wusste, wer ihr gegen überstand.
Urplötzlich fiel ihr ein, was Ryan über sie gesagt hatte. Niemand sonst wusste von Berlin. Niemand außer ihr.
Crane hatte die Waffe hochgerissen und bewegte sie hin und her.
Dann zeigte die Mündung auf Kharmai.
Die reagierte sofort und feuerte. Als sie sah, dass die Kugel nicht getroffen hatte, drückte sie ein zweites Mal ab. Cranes Kopf wurde zurückgerissen. Als ihr die Waffe entglitt, hob sie eine Hand und presste sie gegen das Loch in ihrer Wange. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet, und sie gab einen erstickten Schrei von sich. Dann wurde ihr Blick glasig, und sie stürzte zu Boden, als wären ihr abrupt die Beine unter dem Leib weggezogen worden.
In diesem Augenblick stürmte Ryan in das Büro. Sie riss erneut Fosters Waffe hoch und schaffte es gerade noch, eine Panikreaktion zu vermeiden. Ab jetzt schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Sie sah, wie er erst sie, dann die Pistole in ihrer Hand anstarrte. Dann glitten seine Augen zu Samantha Crane, und als sich kurz darauf ihre Blicke trafen, hatte er einen ungläubigen Gesichtsausdruck. Sie wusste, dass sie einen entsetzlichen Fehler gemacht hatte.
54
New York City
Will Vanderveen, noch immer in dem Sable auf dem kleinen Parkplatz auf der anderen Straßenseite sitzend, griff nach seinem Handy und wählte. Yasmin Raseen meldete sich sofort.
»Ja?«
»Wo bist du?«, fragte er.
»Ich habe gerade das Hotel verlassen. In der Halle wimmelt es nur so von Sicherheitsbeamten. Meiner Meinung nach sind die meisten Delegierten noch im Haus.«
»Gut. Sieht es so aus, als würden sie jeden Moment aufbrechen?«
»Nein. Ich sehe hier draußen keine wartenden Autos. Zumindest nicht die Fahrzeuge, mit denen man bei solchen Anlässen rechnet.«
Vanderveen wusste, was das bedeutete. Die Mitglieder der Vereinigten Irakischen Allianz, die in knapp drei Stunden an der Sitzung der Vollversammlung bei den Vereinten Nationen teilnehmen sollten, wurden nicht nur von ihren eigenen Bodyguards bewacht, sondern zudem noch von Personenschützern des amerikanischen Diplomatic Security Service. Demnach war vermutlich mit Lincoln Town Cars zu rechnen, zweifellos mit Diplomatenkennzeichen oder solchen von Regierungsstellen. Diese Fahrzeuge waren leicht zu erkennen, zumal sie von Autos und Motorrädern des New York Police Department begleitet werden würden.
»Also läuft alles nach Plan.«
»Ich denke schon. Wird es Zeit, dass ich verschwinde?«
»Ja.« Vanderveen blickte auf die Uhr. »Und zwar schnell … Nazeri ist vor zwei Minuten losgefahren. Für die U-Bahn ist die Zeit zu knapp … Nimm ein Taxi und sieh zu, dass du Land gewinnst. Wenn du zu langsam bist, wird’s gefährlich.«
»Verstanden.«
Angesichts der Lage klang ihre Stimme unnatürlich ruhig. Vanderveen war
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