Der Attentäter - The Assassin
bescherte, nämlich einen Sitz im Revolutionären Kommandorat, der ihm auch die Kontrolle über die südlichen Provinzen Mutannah und Qadisiyah sicherte. Besser hätte es kaum kommen können. Für Karim al-Umari bot das ölreiche Land ungeahnte Möglichkeiten. Er nahm große Kredite auf, um mehrere Raffinerien zu kaufen, und das Risiko zahlte sich aus, wie bei allen seinen geschäftlichen Unternehmungen. Al-Umari setzte bei der Ölförderung westliche Technologie ein, als Erster im Irak, und schlug den Bau einer Pipeline zu der am Roten Meer gelegenen Hafenstadt Djiddah vor. Als sein Plan 1989 Realität geworden war, stieg der Profit seiner neu gegründeten Iraqi Southern Oil Company sofort um dreißig Prozent. Nur ein Jahr nach der Inbetriebnahme der durch die saudi-arabische Wüste führenden Pipeline belief sich Karim al-Umaris persönliches Vermögen auf über eine Milliarde Dollar, und seine politische Macht innerhalb der Partei wurde nur noch durch die des Parteivorsitzenden übertroffen.
Natürlich musste das Ölimperium gelegentlich Rückschläge einstecken. Der erste Golfkrieg kam das Unternehmen extrem teuer zu stehen. Im Verlauf des nächsten Jahrzehnts verlor Rashids Vater sehr viel Geld, allein die Reparatur einer durch Bomben zerstörten Raffinerie südlich von Basra kostete Unsummen. Doch eigentlich nahm Karim al-Umari diese Verluste kaum zur Kenntnis; gegen Ende der Neunzigerjahre war ihm politische Macht sehr viel wichtiger als Geld. Unglücklicherweise geriet er durch diese Macht auch ins Visier der Amerikaner, und die Invasion im Jahr 2003 war der Anfang vom Ende.
In den drei Jahren seit dem Bombenangriff, der seinen Vater, seine Mutter und seine zwölfjährige Schwester das Leben kostete, hatte sich Raschid al-Umari den Aufständischen angeschlossen. Zuerst war es schwierig; es war eine ihm fremde Welt, die er nicht verstand, und er hatte allenfalls lose Beziehungen. Ironischerweise war es der Tod Karim al-Umaris, der seinem einzigen Sohn - dem Alleinerben des Ölimperiums - die Mittel an die Hand gab, Kontakte zu den Aufständischen zu knüpfen. In der Anfangszeit beschränkte sich Rashids Beitrag zum Widerstand auf ziemlich großzügige Spenden, meistens an die Mahdi-Armee in Sadr City. Wegen seiner Beziehungen zum früheren Regime musste er darum kämpfen, das Vertrauen der Aufständischen zu erringen. Monatelang war er gezwungen, im Hintergrund zu agieren, aus der Ferne zu helfen. Schließlich wurde seine Vertrauenswürdigkeit getestet. Man nannte ihm Zeit und Ort eines angeblichen Treffens, an dem hochrangige Widerständler teilnehmen sollten. Als das leere Gebäude nicht durch einen chirurgischen Luftschlag zerstört wurde, glaubte man ihm, dass er der Sache treu ergeben war und dass seine Loyalität nicht dem Westen, sondern Muqtada al-Sadr galt. Er fand seinen Platz in der Organisation und schloss Freundschaft mit den obersten Befehlshabern. Und dann, an einem kühlen Morgen Ende Januar, drei Tage, nachdem er via Amman nach London geflogen war, hatte man ihn dem Deutschen vorgestellt.
Über Erich Kohls Vergangenheit schien niemand etwas Genaues zu wissen. Noch unklarer war seine Rolle innerhalb der Organisation, und zwar trotz der Tatsache, dass er nur selten von der Seite des Scheichs wich. Einige vermuteten, dass er in den frühen Neunzigerjahren zur Rote-Armee-Fraktion gehört hatte, andere spekulierten, er könnte vor dem Fall der Mauer für die
Stasi gearbeitet haben. Al-Umari hatte einmal schüchtern darauf hingewiesen, dass der Deutsche dafür zu jung zu sein schien.
Nach einiger Zeit hatte er häufiger Kontakt zu dem Ausländer. Es war eine seltsame Verbindung, die in erster Linie darauf zurückging, dass sie innerhalb der Organisation beide einen Außenseiterstatus hatten. Trotz ihrer jeweiligen Verbindungen zu al-Sadr blieb Kohl für die anderen ein Ungläubiger, während man in Raschid vornehmlich den wohlhabenden Sohn eines mächtigen Sunniten sah. Im Laufe vieler Gespräche enthüllte al-Umari die Hintergründe seiner Frustration und das Ohnmachtsgefühl, das er angesichts der Tatsache empfand, dass ihr größter Sieg etwa in ein paar toten jungen Soldaten an der Straße nach Nadschaf bestand. Während dieser Zusammentreffen fiel al-Umari nicht auf, dass der Deutsche fast nie etwas sagte und ihm das Reden überließ. Immerhin wurde er nicht entmutigt oder völlig ignoriert.
Doch trotz seines Lamentierens war al-Umari eigentlich ganz zufrieden. Er tat seinen Teil, und
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