Der Attentäter - The Assassin
kaum noch umdrehen, ohne eine amerikanische Patrouille zu sehen. Und auf den glattrasierten Gesichtern der Amerikaner zeigte sich immer ein hochmütiges Lächeln - trotz der schweren Verluste, die sie im Irak hatten hinnehmen müssen. Wie können sie so unbelehrbar sein?, fragte sich Raschid, in dem wie immer Wut aufstieg, wenn er an dieses Problem dachte. Warum akzeptieren sie nicht, dass sie gescheitert sind? Wie die Amerikaner, was die Geschichte betraf, so unwissend sein konnten, blieb ihm ein Rätsel. Hatte das britische Empire nicht erfahren müssen, dass das irakische Volk nicht zu unterwerfen war? Der europäische Imperialismus hatte dergleichen während des letzten Drittels des neunzehnten Jahrhunderts überall versucht.
Al-Umari musste lächeln, als er daran dachte, was Großbritanniens Gier nach territorialen Eroberungen im Mittleren Osten dem Land letztlich eingebrockt hatte - verheerende Verluste durch Paschtunen, gefolgt von zwei Kriegen mit den Afghanen, die 1919 mit dem kompletten Abzug der britischen Soldaten endeten. Seine eigenen Landsleute hatten im folgenden Jahr genauso tapfer gekämpft. Ihre stolze Rebellion gegen die Kolonialherrschaft, die viele Menschenleben kostete, hatte 1932 zur Unabhängigkeit des Irak geführt.
Während er darüber nachdachte, verließ al-Umari den Markt auf der westlichen Seite, setzte sich vor einem kleinen Straßencafé auf eine von der Sonne gewärmte Bank und trank eine kleine Tasse heißen, gesüßten Tee. Die Iraker - Sunniten und Schiiten - konnten den Aufstand des Jahres 1920 als eines der wenigen Beispiele dafür anführen, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Volksgruppen möglich war.
Trotz seines persönlichen Hintergrundes glaubte al-Umari, dass die Schiiten im neuen Irak ihren Platz haben sollten. Was er allerdings in Sadr City gesehen hatte, ließ ihn an den Fähigkeiten der Aufständischen zweifeln. Das war Grund genug, die Mahdi-Armee auszuschließen, doch da war noch etwas. Trotz ihrer fragwürdigen Verbündeten glaubte al-Umari nicht, dass sie mehr zustande bringen würden als den fehlgeschlagenen Mordanschlag auf Nuri al-Maliki. Die Tat war als unausweichlich angesehen worden; der Premierminister hatte sich zu sehr mit dem Westen eingelassen. Dass er den Anschlag überlebt hatte, spielte absolut keine Rolle. Er war nicht in der Lage, seine Amtsgeschäfte wieder aufzunehmen, und ohne den Premierminister standen die Amerikaner ohne einen ihrer mächtigsten Verbündeten in der Region da. Aber natürlich konnte das nur ein Anfang sein. Die Amerikaner hatten viele Verbündete, darunter die Ölunternehmen, die sich sehr schnell nach dem Fall von Bagdad den Besatzern an den Hals geschmissen hatten.
Das alles ist so typisch, dachte Raschid verbittert. Die Geschichte wiederholte sich ständig; die größten Reiche waren immer auch die gierigsten. Was unterschied die heutige amerikanische Regierung eigentlich von den britischen Imperialisten des zwanzigsten Jahrhunderts? Die Antwort war einfach - nichts. Letztlich gab es nur ein Ziel, die Invasoren wollten sich bereichern. Was immer die Amerikaner auch behaupteten, mit den Interessen des irakischen Volkes hatten sie nichts am Hut. Als Beleg dafür reichte die nachfolgende Invasion westlicher Unternehmen.
Und meine Ziele? Al-Umari trank einen Schluck Tee. Der Plan, dessen Umsetzung sie in Bewegung gesetzt hatten, die mühsame, gefährliche Arbeit etlicher Wochen … Wenn diese Rechnung aufging, daran hatte er keine Zweifel, würde das
irakische Volk als Ganzes davon profitieren. Er hatte den aufrichtigen Wunsch, die Iraker von den gegenwärtigen Unterdrückern zu befreien, auch wenn seine Motive ursprünglich weniger rein und edel gewesen waren.
Es stimmt, musste er schließlich zugeben. Ich bin fast so egoistisch wie die Amerikaner.
Fast, aber nicht ganz.
8
London
»Das kann ja ewig dauern«, sagte Kharmai.
»Nicht unbedingt«, antwortete Liz Peterson mit einem belustigten Grinsen.
Sie saßen in einem abhörsicheren Raum im dritten Stock des britischen Verteidigungsministeriums, das in einem unauffälligen achtstöckigen Gebäude mit einer Fassade aus Portland-Stein residierte. Der Raum war kühl, dunkel und fensterlos, was Kharmai nicht im Geringsten störte. Der Anblick des Regens, der den dritten Tag in Folge auf die Stadt niederging, hätte ihre düstere Stimmung mit Sicherheit nicht aufgehellt. Mittlerweile starrten sie seit zwei Stunden auf den Computermonitor, und die junge CIA-Analystin
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