Der Attentäter - The Assassin
unter solchen »Spezialaufträgen« zu verstehen war. Im Verlauf ihrer Recherchen musste sie immer wieder geschockt zur Kenntnis nehmen, wie viele hastig ausgebildete paramilitärische Spezialisten Zugang zu riesigen, von der Regierung bereitgestellten Summen hatten. Sie wurden irgendwo
in Krisengebieten ausgesetzt, praktisch ohne Kontrolle. Bauten diese sogenannten »Spezialisten« dann Mist, was ziemlich regelmäßig vorzukommen schien, wirkte sich das auf allen Ebenen nachteilig aus. Beziehungen zu anderen Ländern wurden beschädigt, manchmal irreparabel, und besonders fatal wirkten sich diese Vorfälle aus, wenn im Kongress einmal jährlich das Budget der CIA zur Verhandlung stand. Die Eliminierung Arshad Kassems, der beträchtliche Summen beiseitegeschafft hatte, war ihr wichtig gewesen, um weiteren Schaden von der CIA abzuwenden.
Damit war sie beim nächsten Thema. Kealey. Ford schlug seine Akte auf, und ihr Blick verfinsterte sich sofort. Trotz ihrer Antipathie musste sie zugeben, dass der Mann eine bemerkenswerte Bilanz vorzuweisen hatte. Im Jahr 2001 hatte er die Armee im Rang eines Majors verlassen. Während seiner Zeit als aktiver Soldat waren ihm der Bronze Star, ein Purple Heart und der Legion-of-Merit-Orden mit Eichenlaub verliehen worden, außerdem das Distinguished Service Cross, eine der höchsten militärischen Auszeichnungen überhaupt. Doch was sie wirklich interessierte, waren die Orden der CIA. Bei einer geheimen Zeremonie vor drei Jahren war Kealey mit dem Intelligence Star geehrt worden, aber es kam noch besser. Weil er die Ermordung David Brennemans verhindert hatte, des Präsidenten der Vereinigten Staaten, war er mit dem Distinguished Intelligence Cross ausgezeichnet worden, der prestigeträchtigsten und begehrtesten Auszeichnung, die die CIA zu vergeben hatte.
Auch hinsichtlich seiner Ausbildung hatte er einiges zu bieten. Nach einigen Semestern an der University of Chicago hatte er 1994 an der Duke University einen MBA gemacht. Zu dieser Zeit war er bereits First Lieutenant und hatte die
Aufnahmeprüfung für die Special Forces bestanden. Kealeys akademische Meriten überraschten sie nicht im Geringsten, denn unter den amerikanischen Militärs gab es viele mit hervorragenden Abschlüssen auf den verschiedensten Fachgebieten. Doch all das spielte jetzt keine Rolle, denn Kealey war kein Soldat mehr. Heutzutage war er nur noch ein undisziplinierter, nicht zu kontrollierender Agent. In der operativen Abteilung gab es jede Menge davon, und fast alle der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Pleiten hatten mit dieser Abteilung zu tun. Verantwortlich dafür war ihrer Meinung nach deren Chef, Jonathan Harper.
Seufzend schloss sie die Akte. Das Treffen beim Direktor war nicht so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Seit sie von Kealeys Verwicklung in die Entführung Arshad Kassems gehört hatte, war sie ständig zu Andrews gelaufen, doch es lag noch eine Menge Arbeit vor ihr, wenn sie dessen Meinung ändern wollte. Offenbar hielt Andrews ziemlich viel von Kealey. Falls möglich, würde sie dafür sorgen, dass alle drei ihren Job verloren, zuerst Jonathan Harper. Ihrer Meinung nach war seine ganze Abteilung ein Anachronismus. Agenten vor Ort mochten bis zu einem gewissen Punkt sinnvoll sein, doch die Zukunft gehörte der Technologie, der Satellitenüberwachung und dem Abfangen von Nachrichten. Harper war ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, ein Symbol dafür, was die CIA früher einmal gewesen war. Unglücklicherweise hatte er beste Verbindungen. Es schien fast unmöglich, ihn um seinen Job zu bringen, aber sie würde es versuchen, und die Herausforderung empfand sie als erregend.
Kealey war ein anderes Thema. Wenn man genauer darüber nachdachte, war es vielleicht sogar unsinnig, zu energisch an seiner Entlassung zu arbeiten. Sie konnte ruhig abwarten, denn
es war sehr wahrscheinlich, dass er wieder etwas Katastrophales anstellte, wodurch er sich selber um Kopf und Kragen bringen würde. Dann rettete ihn auch seine bisherige Bilanz nicht mehr. Es war eine realistische Möglichkeit, aber ihre Ungeduld war stärker als der kühle Verstand. Falls Kealey zu lange damit wartete, sich selbst endgültig für seinen Job zu disqualifizieren, musste sie nachhelfen. Das sollte nicht schwierig sein; Kealey stand in der Hierarchie weit unter ihr, und das war letztlich immer entscheidend.
Als sie ihr Büro verließ und zum Lift schlenderte, gingen ihr zwei Gedanken durch den schmerzenden Kopf. Hier
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