Der Attentäter - The Assassin
Beifahrerseite wurde aus einer automatischen Waffe das Feuer eröffnet. Obwohl die französische Polizei noch keine Erklärung abgegeben hat, geht man davon aus, dass die Zahl der Opfer …«
Kharmai brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass die Verbindung zu Kealey noch stand. Sie hob das Handy ans Ohr und erzählte mit bebender Stimme, was sie gerade gehört hatte.
Kealey steckte sein Telefon ein und blickte Harper an, der seine Taschen abklopfte, offenbar auf der Suche nach seinem eigenen Handy.
Schließlich gab er es auf. »Erzählen Sie.«
»Zwei Männer haben gerade vor einem Hotel in Paris das Feuer eröffnet. Mindestens acht Menschen sind ums Leben gekommen, darunter Nasir al-Din Tabrizi, der irakische Au- ßenminister.«
»Mein Gott«, murmelte Harper. »Schlimmer kann’s nicht mehr kommen.«
25
Washington, D. C.
Noch nie in ihrem Leben war Kharmai so nervös gewesen, zumindest nicht, wenn keine Gefahr für Leib und Leben bestand. Ihre Hände zitterten, ihr Atem ging schnell und abgehackt. Manchmal befürchtete sie, überhaupt keine Luft zu bekommen. Zum dritten Mal innerhalb von ein paar Minuten stand sie auf, um auf wackeligen Beinen zu dem einzigen Spiegel hinüberzugehen, wo sie kritisch ihre Frisur und den Sitz ihres Kostüms musterte. Letzteres war burgunderrot und von Donna Karan, das beste Stück in ihrem Kleiderschrank. Ohne zu bemerken, dass der in der Nähe stehende Mann vom Secret Service sie bewundernd anstarrte, zupfte sie ihren Rock zurecht und wandte sich dann Kealey zu, der in einem Sessel in der Nähe der Tür saß. Er trug einen schlecht sitzenden Anzug von Brooks Brothers, den Harper ihm geliehen hatte. »Ryan, findest du wirklich …«
»Du siehst gut aus, Naomi. Immer schön locker bleiben.«
Kharmai wandte sich genervt wieder dem Spiegel zu. Er hatte nicht einmal hingeschaut. Sie fragte sich, warum er so ruhig war. Soweit sie wusste, war auch Kealey noch nie im Weißen Haus gewesen, geschweige denn beim Präsidenten persönlich.
Sie warteten in einem gedämpft beleuchteten Vorraum im ersten Stock des Westflügels. Brenneman sprach gerade mit Andrews, Harper und ein paar hohen Tieren vom FBI, darunter
Harry Judd. Vor ein paar Stunden hatte sie Kealey und Harper erzählt, was sie seit dem Anschlag in Paris herausgefunden hatte. Anschließend hatte Harper mit Andrews gesprochen und diesen um die Erlaubnis gebeten, dass Kharmai den Präsidenten persönlich informieren durfte. Zuerst hatte sie sich strikt geweigert, doch Harper bestand auf seinem Wunsch und zerstreute ihre Befürchtungen. Zumindest hatte er es versucht. Jetzt, während sie darauf warteten, hereingerufen zu werden, wurde ihr erneut mulmig zumute. Dabei gab es keinen Anlass zur Sorge; sie war ein Profi und zweifelte nicht an dem, was sie zu sagen hatte. Aber bisher hatte sie nicht einmal den Chef der CIA informieren dürfen, und sie wusste, dass sie nur eine Chance bekommen würde, den Präsidenten zu überzeugen. Und sie war entschlossen, sie zu nutzen.
Seit dem Vorfall in Paris hatte sie fieberhaft gearbeitet. Durch Beziehungen zum französischen Auslandsgeheimdienst hatte sie herausgefunden, dass die beiden ums Leben gekommenen Täter aus dem Iran stammten, was unglücklicherweise eher nicht zu den Argumenten passte, die sie dem Präsidenten vorzutragen gedachte. Teheran hatte noch keine offizielle Erklärung abgegeben, doch sie war sicher, dass das Regime jede Beteiligung abstreiten würde. Praktisch alles, was sie herausbekommen hatte, deutete auf die Aufständischen im Irak hin. Jetzt musste sie Brenneman nur noch davon überzeugen, dass sie recht hatte. Wahrscheinlich standen ihre Chancen in dieser Hinsicht gut. Doch was sie danach vorschlagen wollte, würde wahrscheinlich nicht auf offene Ohren treffen. Selbst dann nicht, wenn Harper und Andrews, wie sie kurz zuvor festgestellt hatte, ihrer Meinung waren.
Sie hörte, wie sich hinter ihr eine Tür öffnete, und das Herz sprang ihr in die Kehle. Sie wirbelte herum. Ein Berater nickte
erst ihr und dann Kealey zu, der sich noch nicht die Mühe gemacht hatte, sich aus seinem Sessel zu erheben.
Kharmai, die Aktentasche fest unter den Arm klemmend, betrat zuerst den Roosevelt Room, gefolgt von Kealey. Außer Jonathan Harper war niemand zu sehen. Er stand vor dem Kamin und studierte die darüberhängende Nobelpreisurkunde. Kharmai erinnerte sich, dass Theodore Roosevelt für seine Bemühungen um die Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges den
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