Der Attentäter - The Assassin
Scheibe des hinteren Seitenfensters herunterzulassen. »Er ist jetzt auf der Straße, der Dritte von links, der Dritte von links …«
Vanderveen hob das G2-Scharfschützengewehr. Der Lauf ruhte auf einem großen Rucksack vor dem offenen Fenster. Die Fahrer vorbeikommender Autos sahen den Mercedes und vielleicht auch die Waffe, doch das ließ sich nicht ändern. Er studierte durch das Leopold-Zielfernrohr den Ablauf der Ereignisse.
Durch den schnell fahrenden Ford aufgeschreckt, zog der Leibwächter hinter Tabrizi den Iraker zurück in Richtung Bürgersteig. Der Ford kam mitten auf der Straße mit quietschenden Bremsen und qualmenden Reifen zum Stehen, aus dem Seitenfenster wurde das Feuer eröffnet. Die ersten Kugeln schlugen in parkende Autos und die Glastür des Hotels, dann lagen schon einige Passanten blutend am Boden. Die Umstehenden schrien, Panik breitete sich aus. Noch ein paar Schritte, dann wäre Tabrizi in Sicherheit gewesen, doch Vanderveen sah ihn straucheln. Er riss die Arme hoch, und sein Körper zuckte heftig,
als etliche Kugeln in seinen Rücken schlugen. Der irakische Arzt brach tot zusammen, wie neben ihm sein Leibwächter, der noch ein Stück über den Asphalt kroch, bevor ihm die letzte Salve den Rest gab.
Der Fahrer des Ford gab bereits Gas, als einer der beiden Sicherheitsbeamten aus dem Peugeot stieg und sein FAMAS-Gewehr anlegte. Er feuerte auf den flüchtenden Wagen, dessen Heckscheibe sofort zu Bruch ging.
Trotz der sich überschlagenden Ereignisse hatte Vanderveen die ganze Zeit über ruhig und regelmäßig geatmet, und jetzt nahm er das klaffende Loch in der Heckscheibe ins Visier. Durch das Zielfernrohr erkannte er, dass der Mann auf dem Beifahrersitz zusammengesunken über der Konsole zwischen den Sitzen hing. Offenbar hatte der Fahrer Mühe, nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Er richtete das Fadenkreuz auf die Kopfstütze, atmete aus und drückte ab.
Der Schalldämpfer erstickte das Geräusch, als die drei Kugeln aus dem Lauf schossen. Durch das Zielfernrohr sah Vanderveen, dass die Distanz von zweihundertsiebzig Metern ihn nicht überfordert hatte. Die Kopfstütze explodierte, wei ße Baumwolle flog durch die Luft. Der Ford scherte aus und streifte eine Reihe parkender Autos, bevor er schließlich stehen blieb. Der Sicherheitsbeamte stellte das Feuer ein und ging vorsichtig auf den Ford zu, dem Mercedes den Rücken zukehrend, während der zweite noch lebende Leibwächter bereits einen Krankenwagen gerufen hatte und zu den Verwundeten eilte. Vanderveens Schüsse waren offenbar nicht bemerkt worden.
Er legte das Gewehr vor seinen Füßen auf den Boden. »Los!«, sagte er zu Raseen. »Wir müssen verschwinden.«
Er schloss das Fenster, während sie den Motor anließ und sich in den Verkehr einfädelte. Hinter ihnen bremsten aufgeschreckte
Autofahrer, doch vor ihnen war die Straße frei. »Haben Sie ihn erwischt?«, fragte sie aufgeregt. »Ist er tot?«
Vanderveen blickte durch die Heckscheibe. Aus der Ferne hörte er bereits Sirenen, doch dem Mercedes schien niemand zu folgen. Raseen bog in die Rue Guersant ab. »Langsamer«, sagte er. »Es ist niemand hinter uns.«
»Haben Sie ihn erwischt?«
Noch einmal sah er vor seinem inneren Auge, wie die Kugeln in Tabrizis Körper schlugen, sah ihn tot zusammenbrechen.
»Ja. Er ist tot.«
24
Washington, D.C. / Virginia
Als sie das Restaurant verließen, war es kurz nach zwei Uhr mittags. Der Suburban wartete am Straßenrand, aber Harper wollte ein Stück laufen und entließ den Fahrer. Es regnete nicht mehr. Die Sonne brach durch die dichten grauen Wolken, und es wurde wärmer, der feuchte Asphalt dampfte. Sie gingen in südlicher Richtung und mussten einer Gruppe von Touristen ausweichen, bevor sie in die E Street abbogen. Kealey erzählte Harper, womit Kharmai sich im NCTC beschäftigte.
»Glauben Sie, dass etwas dabei herauskommt?«, fragte Harper.
»Ja.« Er schwieg kurz. »Kharmai überrascht mich ständig. So clever hatte ich sie gar nicht in Erinnerung.«
Harper blickte ihn von der Seite an und dachte darüber nach, worauf Kealey hinauswollte. »Ich weiß nicht, warum Sie das sagen. Bisher hat sie bei jeder internen Bewertung erstklassig abgeschnitten. Emmett Mills kann sie gar nicht genug loben und hofft sehnsüchtig, dass sie bald nach London zurückkehrt. Aber meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, ihr einen Topjob in der Antiterrorabteilung zu geben. Hier ist sie nützlicher als in London.«
Kealey
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