Der Attentäter - The Assassin
nichts davon kann mit dem Mord an Nasir Tabrizi in Paris in Verbindung gebracht werden?«
»Noch nicht. Damit befassen wir uns im Moment.«
»Und das ist unsere einzige Spur? Abgesehen von der Sache mit dem Iran?«
»Unglücklicherweise.«
»Ich könnte direkt bei Kanzlerin Merkel anrufen«, sagte Brenneman. »Sie kann die Bitte schlecht abschlagen, wenn sie von mir persönlich kommt.«
»Möglicherweise wird sie genau das tun«, schaltete sich Andrews ein. »Günstigstenfalls wird sie auf Zeit spielen, aber gerade die ist hier entscheidend. Das Treffen bei den Vereinten
Nationen ist für den 16. September angesetzt, zur gleichen Zeit wie die Eröffnung der jährlichen Sitzung der Vollversammlung. Wie Sie wissen, war Premierminister al-Maliki das einzige Mitglied des engen Kreises einflussreicher Schiiten, das nicht teilnehmen wollte. Dieser Kreis besteht aus fünfunddreißig maßgeblichen Mitgliedern der Vereinigten Irakischen Allianz. Nasir Tabrizi stand als Sunnit natürlich auf der anderen Seite, war aber immer um Ausgleich bemüht. Aus der Sicht der CIA ist es sehr beunruhigend, dass gerade auf diese beiden Männer Anschläge verübt wurden, und vielleicht ist es ein Indikator für einen groß angelegten Terrorangriff auf amerikanischem Boden. Wenn die Allianz ins Fadenkreuz gerät, steht uns möglicherweise noch einiges bevor.«
Kealey warf Harper einen fragenden Blick zu, der sagte: Welches Treffen? Ihm fiel nicht auf, dass es bei Kharmai nicht anders war, doch Harper ignorierte sie beide und wandte sich dem Präsidenten zu. »Sir, es läuft auf Folgendes hinaus. Auch wenn sie vom FBI etwas anderes gehört haben, bleibt festzustellen, dass die Iraner allenfalls am Rande in unser Blickfeld geraten sind. Aus unserer Sicht deutet alles darauf hin, dass ein Iraker im Hintergrund die Fäden zieht. Wir müssen mit Rühmann reden, haben aber keine Ahnung, wo er ist oder was für einen Namen er benutzt. Was wir überprüfen konnten, haben wir abgecheckt.«
»Dann müssen wir uns eben das diplomatische Prozedere schenken und uns etwas anders einfallen lassen, um ihn zu finden«, sagte Brenneman. »Ich nehme an, Sie haben das bereits getan.« Er musste nicht eigens darauf hinweisen, dass es ihm missfiel, wenn die CIA und das FBI sich darüber stritten, wer für die Vorfälle in Bagdad und Paris verantwortlich war. Seine Miene sagte alles.
Kharmai räusperte sich leise. »Sir, wir wissen, dass Rühmann ab 1998 für zwei Jahre in Washington gelebt hat. Damals ist er zwischen der deutschen Botschaft, wo er meistens arbeitete, und den Vereinten Nationen gependelt. Wahrscheinlich haben sie in der Botschaft Material über ihn und wissen auch, wie er zu erreichen ist. Natürlich wird dieses Material geheim sein, aber wir sehen einen Weg, dieses kleine Problem zu lösen.«
»Und wie wollen Sie an diese Informationen herankommen?«, fragte Brenneman sehr leise.
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann atmete Kharmai tief durch und ging das Wagnis ein.
»Wir stehlen Sie. Wir brechen in die deutsche Botschaft ein und stehlen sie.«
26
Calais / Washington, D.C.
Wegen eines umgestürzten Anhängers auf der A26 dauerte die Fahrt von Paris nach Calais knapp vier Stunden. Vanderveen und Raseen saßen in einem kastanienbraunen Audi mit Knüppelschaltung, der wie erwartet in der Tiefgarage an der Rue Tronchet gestanden hatte. Nachdem sie die Fingerabdrücke in dem Mercedes abgewischt hatten, nahmen sie den Boulevard Périphérique zur A1, die in der Nähe von Lille zur A26 wurde. Südlich von Amiens verließen sie die Autobahn und fuhren auf einer Landstraße weiter, die durch einen dichten dunklen Wald führte. Der Umweg kostete sie zwanzig Minuten, bot Vanderveen aber die Möglichkeit, das Schnellfeuergewehr auseinanderzunehmen und die Einzelteile an verschiedene Stellen in den Wald zu schleudern.
In der Tiefgarage hatte Raseen die Autoschlüssel aus der Tasche gezogen und sich wortlos hinter das Steuer gesetzt. Vanderveen befürchtete, sie könnte noch zu nervös sein, um den Wagen sicher zu lenken, und dachte darüber nach, selbst zu fahren. Aber ein Blick auf ihr Gesicht verriet ihm, dass es besser war, wenn sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren konnte. Sobald sie den Motor angelassen hatte, startete sie den Sendersuchlauf des Autoradios, aber der erste Bericht über das Ereignis in Paris wurde erst ausgestrahlt, als sie die Stadt schon zwanzig Minuten hinter sich gelassen hatten. Man tappte noch weitgehend im Dunkeln,
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