Der Attentaeter von Brooklyn
Misthaufen, und so waren dann auch all diese Arschlöcher – arrogant wie junge Hähne, jeder Einzelne.« Der Polizeichef zog die Schultern gegen den Wind hoch. »Fajes ist abgehauen, um in Bagdad zu studieren, und hat sich da der PLO angeschlossen. Auf dem Misthaufen gedieh er prächtig. Für eine Weile hatte er innerhalb der PLO seine eigene kleine Kommandoeinheit und schrieb heroische Artikel über ihre Heldentaten gegen die Israelis.«
»Ich habe einige seiner politischen Essays gelesen. Ich meine mich zu erinnern, dass sie hauptsächlich kritisch gegenüber den arabischen Nationen waren.«
Chamis Sejdan grinste verächtlich. »Als er seine Kampftruppe mit den offiziellen PLO-Truppen vereinigte, belohnte ihn der Alte dafür, indem er ihn zu einem Sonderbotschafter ernannte.«
»Was bedeutete das?«
Sie überquerten eine weitere Nebenstraße. »Wir werden verfolgt«, sagte Chamis Sejdan.
Omar Jussuf fuhr überrascht herum, aber sein Freund fasste ihn am Arm und zog ihn weiter.
»Ein Mann im schwarzen Mantel.«
»Wo?« Omar Jussuf wandte den Kopf.
»Lass das. Wenn er merkt, dass wir ihn gesehen haben, lockert das vielleicht seine Hand.«
»Lockert seine – du meinst, er könnte versuchen –«
»Dir deine neue Mütze zu klauen.« Chamis Sejdan hielt Omar Jussufs Arm lässiger und hängte sich bei ihm ein, sodass er noch über die Schulter zurückschauen konnte.
»Kannst du ihn sehen?«, flüsterte Omar Jussuf.
»Sein Gesicht ist hinter einem Tuch verborgen.« Chamis Sejdans Augen funkelten vor Aufmerksamkeit.
»Das ist er, nicht wahr? Der, den ich in der Wohnung gesehen habe, und ich bin mir auch sicher, dass er mich bis zu meinem Hotel verfolgt hat.«
»Tja, jetzt ist er weg. Er ist in die Straße eingebogen.«
»Wollen wir ihm folgen?«
Chamis Sejdan schüttelte den Kopf. »Er könnte bewaffnet sein.«
»Wir müssen abhauen.«
»Ich kann mir nicht denken, dass er uns ins Gefängnis folgt. Geh weiter.«
Der Polizeichef schien es zu genießen, in die altbewährte Trickkiste seiner Zeit als Geheimagent zu greifen. Er blühte dabei sichtlich auf. »Du hast nach dem Sonderbotschafter gefragt? Das klingt zwar wie ein Blödsinnstitel, aber der Alte hat Nisar Fajes tatsächlich mit geheimen diplomatischen Missionen betraut. Er hat ihn für eine Weile hier in New York stationiert.«
Omar Jussuf dachte daran, wie die Sergeantin den Beweisbeutel aus Plastik mit dem Pass des Jungen hochgehalten hatte. »Aber Nisar ist nicht im Exil geboren.«
»Immer wenn seine Frau schwanger war, hat Fajes sie zu seinen Eltern nach Bethlehem geschickt, damit die Kinder im Land geboren und echte Palästinenser würden. So sah er das. Deshalb konnte sie Aufenthaltsgenehmigungen von den Israelis bekommen, um mit ihnen da zu leben, nach dem … äh, als Fajes starb.«
Chamis Sejdan brachte Omar Jussuf vorm Schaufenster eines Dessousladens zum Stehen.
»Was soll das?«
Ein mageres Mannequin auf Stöckelschuhen und mit schenkelhohen Strümpfen reckte den beiden Männern ihren spitzenbesetzten Arsch entgegen. Chamis Sejdan blinzelte in die Scheibe. »Ich versuche zu erkennen, ob da jemand auf der anderen Straßenseite ist«, sagte er.
Omar Jussuf beobachtete die Gestalten, die sich im Fenster spiegelten. Mit dem Ausdruck unschuldiger Langeweile wartete eine Gruppe von Leuten an einer Bushaltestelle.
»Wie ist Fajes gestorben?«, fragte er.
»Attentat.«
»Er wurde wirklich ermordet?«
»Du klingst schockiert. Komm schon, du bist doch Geschichtslehrer. Ohne Attentate wäre Geschichte doch ein ödes Fach. Mord ist dein Geschäft.«
Eine Gruppe halbwüchsiger Jungen blieb kichernd vor dem Schaufenster stehen.
»War es der Mossad?« Omar Jussuf blickte über seine Schulter, aber Chamis Sejdan packte ihn und führte ihn auf dem Gehweg weiter. »Hat er Fajes umgebracht?«
Chamis Sejdan warf die Kippe in den Rinnstein und würgte ein feuchtes Husten tief aus der Lunge.
»Das hat man sich in Bethlehem erzählt. Stimmt es?«
»Klar, der Mossad«, schnaubte Chamis Sejdan.
Die Bitterkeit in der Stimme seines Freundes ließ Omar Jussuf misstrauisch werden. »Sag schon.«
»Als er in New York war, hat Fajes Kontakte zu ein paar prominenten Juden geknüpft. Sie haben ihn mit einigen linksgerichteten, jüdischen Politikern bekannt gemacht. Gemeinsam haben sie einen Friedensplan erarbeitet.«
»Verstehe ich nicht. Der Mossad hat ihn ermordet, um diese Friedensgespräche zu sabotieren?«
Chamis Sejdan riss die Augen weit und
Weitere Kostenlose Bücher