Der Attentaeter von Brooklyn
fragte sich, wie es wohl wäre, wenn man im Exil einen traditionellen Tanz aufführte. Ich kann mir vorstellen, dass es mich zu Tränen rühren würde, dachte er. Zum Glück fehlt mir dafür die Puste. Ala und Nisar hatten mit dem gleichen Mädchen getanzt, und Nisar hatte sie für sich gewonnen. »Rania?«, sagte Omar Jussuf.
Ala schienen die Kräfte zu schwinden, und sein Blick war so leer wie ein Nachmittag im Ramadan. »Ich bin oft ins Café ihres Vaters gegangen. Es ist gleich neben unserer Wohnung. Ich habe mich mit ihrem Vater angefreundet, und er hat mich zum Essen eingeladen. Das war der Beginn meiner Werbung.«
»Dann hattest du also die Zustimmung des Vaters?«
Alas Gesicht hellte sich auf, doch sein Lächeln erstarb gleich wieder. »Auch Nisar fing an, in das Café zu gehen. Er wusste, dass ich Rania umwarb. Er sagte mir, dass er sich nicht für sie interessiere. Er wollte einfach nur Pfefferminztee trinken, eine Wasserpfeife rauchen und sich mit ihrem Vater über die Nahostpolitik, den Koran und ägyptischen Fußball unterhalten. Ich hatte nichts dagegen, weil es ihn von seinen wilden Touren abhielt. Aber dann habe ich gemerkt, wie Rania und er sich ansahen. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Er sieht sehr gut aus. Er hat lange Haare. Er hat solch einen Charme.«
»Mein Sohn, ich möchte nicht gefühllos erscheinen, aber Nisar lebt nicht mehr. Die Dinge haben sich geändert. Du hast ein Alibi, und vielleicht kannst du auch wieder mit Rania zusammen sein, nachdem sie um Nisar getrauert hat. Gib die Hoffnung nicht auf. Du musst der Polizei sagen, wo du warst, damit du das Gefängnis verlassen und dich um sie kümmern kannst.«
»Sie wird nie die meine sein. Ich habe ja gesehen, wie es zwischen ihr und Nisar war. Verglichen damit, empfand sie mir gegenüber gar nichts.« Ala kratzte sich mit beiden Händen am Kopf. »Als Nisar ermordet wurde, war ich mit ihr zusammen. Aber nur, um ihr zu sagen, dass sie mit ihm gehen sollte. Ich wollte auch ihren Vater darüber informieren. Er hatte sich schon darauf gefreut, dich kennenzulernen und die Einzelheiten für unsere Verlobung zu vereinbaren. Ich brachte es einfach nicht fertig, Schluss zu machen, und verschob es bis zum letzten Moment kurz vor deiner Ankunft. Dann bin ich in ihre Wohnung über dem Café gegangen und habe ihr gesagt, dass es zwischen uns keine Vereinbarungen geben würde.«
»Wie hat sie darauf reagiert?«
Ala holte kurz Luft und schwieg.
»Hat Nisar um Rania angehalten?«
»Sicherlich nicht. Das hätte Ranias Vater mir gesagt. Ich könnte es nicht beschwören, aber ich glaube, dass die Freundschaft zwischen Ranias Vater und Nisar nicht so ganz unkompliziert war.«
»Könnte Ranias Vater die geheime Beziehung entdeckt und Nisar ermordet haben, um die Familienehre zu retten?«
Ala schüttelte den Kopf. »Ich habe nie gehört, dass zwischen ihnen böse Worte gefallen sind. Andererseits hat Nisar sich jeden Tag mit Raschid, unserem anderen Mitbewohner, gestritten, auch noch, nachdem er seinen schlechten Umgang mit Mädchen und Alkohol eingestellt hatte.«
»Worüber haben sie sich gestritten?«
»Sie unterhielten sich immer aufgeregt und flüsternd. Wenn ich sie fragte, worüber sie redeten, sagten sie, ich sollte mich um meinen eigenen Kram kümmern.« Ala starrte über die Schulter seines Vaters ins Leere, als würde er den Verwicklungen nachhängen, die hinter dem Mord stehen mochten, als würde er jedem Hinweis bis zu einem Punkt folgen, an dem der Mord plausibel würde. »Dann ist da auch noch der Schleier.«
Der verschleierte Mann , dachte Omar Jussuf. Der Verräter, der vom Messias getötet werden muss.
»Raschid war von der ganzen islamischen Mythologie der Assassinen fasziniert. Er hat immer wieder die Geschichten gelesen, von denen wir zuerst in deiner Klasse gehört haben, Papa. Er könnte geglaubt haben, dass Nisar ihn irgendwie verraten hat. Wenn er ihn umgebracht hat, könnte er den Schleier als Zeichen hinterlassen haben.«
»Im Wissen, dass nur du es deuten könntest.«
»Oder du, Papa. Er wusste, dass du zu Besuch kommen würdest.«
Omar Jussufs Kinn zitterte. Ein Zeichen, das ich interpretieren soll, dachte er. Aber warum? »Könnte Raschid wirklich einen Menschen umbringen?«
Ala zuckte zusammen. »Ich glaube, darüber haben sich Nisar und er gestritten«, sagte er.
»Übers Töten?«
»Ich habe nicht genug verstanden, um das mit Sicherheit zu wissen. Aber ich glaube, dass sie geplant haben, jemanden zu
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