Der Attentaeter von Brooklyn
bitte«, antwortete er. »Woher wissen Sie, dass ich ein Pascha bin, ein Mann des Militärs?«
Marwan mischte sich schnell ein. »Rania ist im Libanon aufgewachsen. Dort lernt man früh, einen Kämpfer zu erkennen, selbst wenn er in Zivil ist. Das nicht unterscheiden zu können, kann gefährlich sein.«
Chamis Sejdan beobachtete das Mädchen genau, als es den Kaffee einschenkte. Er nahm ein Zuckertütchen aus dem Topf auf dem Tisch und las den Aufdruck. »Das Maison du Café, Chaldeh Highway, Libanon .« Er stieß ein Lachen aus. »Auf dem Chaldeh Highway habe ich einmal einen Schuss in die Schulter bekommen.«
»Israelis?«, sagte Marwan.
»Schiiten. In der Nähe des Flughafens.«
»Die schlimmen Zeiten in Beirut.«
»Woher kommen Sie, Marwan?«, fragte Omar Jussuf. Er bemühte sich, die Frage freundlich klingen zu lassen, aber eine gewisse Schärfe in seiner Stimme ließ das Lächeln auf Marwans sinnlichen Lippen gefrieren.
»Baalbek, im Bekaatal, Ustas .«
»Dann sind Sie also Schiite?«
Marwan warf Chamis Sejdan ein dünnes, entschuldigendes Lächeln zu und strich ihm über die Schulter, als wollte er die alte Wunde des Polizeichefs heilen. »Ich bin nicht religiös. Ich bin modern. Hier sitzen wir, meine unverheiratete Tochter steht direkt neben uns. Ich achte nicht darauf, dass sie den Blicken der Männer verborgen bleibt. Wir sind ja nicht mehr im alten Land, nicht wahr?«
Rania stellte die Kaffeetassen auf den Tisch.
Als sie sich zu ihm vorbeugte, roch Omar Jussuf den Duft von Lavendelwasser. »Allah segne Ihre Hände«, sagte er und griff nach der Untertasse.
»Seien Sie gesegnet«, murmelte sie.
»Marwan, seit wann sind Sie in New York?«, fragte Omar Jussuf.
»Seit Ende 1998. Leider konnte ich nur meine Rania mitnehmen, die damals gerade mal ein Teenager war. Ihre liebe Mutter ruht in Baalbek, möge Allah ihr gnädig sein, und ich habe sonst keine Kinder.«
»Seitdem haben Sie das Café?«
»Erst seit ein, zwei Jahren.«
»Nicht viel los hier.«
»Es ist noch früh. Später am Tag«, Marwan zögerte, »haben wir viele Gäste. Sie kommen, um arabisch zu hören und die Köstlichkeiten ihrer Heimat zu genießen.«
Rania beobachtete ihren Vater vom Tresen her; ihre breiten Mundwinkel waren heruntergezogen, ihre glänzenden Augen blickten ungeduldig.
»Was haben Sie im Libanon gemacht?«, sagte Chamis Sejdan über den Rand seines Kaffeetässchens.
»Kaufmann. Handel, Geschäfte, verschiedene Sachen.«
»Ab 1998 liefen die Geschäfte schlechter, nicht wahr?«
Marwan sah Chamis Sejdan scharf an. Omar Jussuf wunderte sich über den sarkastischen Ton seines Freundes. Chamis Sejdan blinzelte ihm zu. Das Jahr bedeutet etwas für ihn , dachte Omar Jussuf. Er musste die Spannung zwischen den beiden Männern auflösen, um das Gespräch auf Alas Alibi zu bringen. »Ich habe meinen Sohn im Gefängnis besucht«, sagte er.
Marwan sah Omar Jussuf mit ernstem Blick an. »Im Gefängnis?«
»Er weigert sich, der Polizei ein Alibi zu liefern. Er will ihr nicht sagen, wo er war, als Nisar ermordet wurde.«
»Eine schreckliche Sache. Das ganze Viertel ist traurig.« Marwan schüttelte den Kopf. »Warum will er kein Alibi liefern?«
Omar Jussuf starrte Rania an. Sie polierte den Tresen. Ihre Augen folgten mit großer Konzentration dem Wischtuch über der Holzfläche.
»Rania?«, sagte er.
Sie blickte mit ihren tiefen schwarzen Augen in den Spiegel hinterm Tresen.
»Ala wusste über Sie und Nisar Bescheid.« Omar Jussuf stand auf und ging zum Tresen. »Deshalb hat er sich gestern mit Ihnen getroffen. Um Sie aus ihrem Gelöbnis zu entlassen, um Sie für Nisar freizugeben.«
Marwans Stuhl scharrte über den Boden, als er sich erhob und mit dem rauen Unterton verletzter Autorität sagte: »Rania, ist das wahr?«
»Das ist doch ganz egal. Nisar ist nicht mehr da.« Ihre Stimme bebte, brach aber nicht. Sie fuhr mit der Hand über das Regal hinterm Tresen und rieb sich den Staub von den Fingern.
Marwan legte seine schwere Hand auf Omar Jussufs Handgelenk und führte ihn zur Tür. »Lassen Sie mich meine Tochter überzeugen, Ustas . Sie wird Ala helfen, da bin ich mir sicher.« Als er seine Besucher zur Tür hinausbat, klopfte er Omar Jussuf auf die Schulter.
Omar Jussuf drückte sich in den Eingang der Boutique nebenan, während Chamis Sejdan sich eine Zigarette ansteckte und über das Wetter fluchte. Als sie den Gehweg entlanggingen, fror er auf dem Kopf, und der Schneeregen lief ihm in die
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