Der Attentaeter von Brooklyn
ermorden.«
Kapitel
11
Chamis Sejdan blickte finster auf die arabischen Schriftzeichen über den Ladenfronten und auf die dicklichen Frauen, die über die Straße eilten; ihre runden Gesichter waren von cremefarbenen Mendils gerahmt. Der Schauer verwandelte sich in einen gelatineartigen Schneeregen, und er spuckte auf den glatten Gehweg. »Little Palestine«, murmelte er kopfschüttelnd.
»Das ist das Café.« Omar Jussuf zeigte auf das Milchglasfenster mit schweren, braunen Vorhängen. Auf Englisch und Arabisch annoncierte die Markise das Café al-Quds . Auf Arabisch wurden Tee, Kaffee, Fruchtsäfte, Gebäck und Nargileb- Wasserpfeifen angepriesen. »Wir müssen dieses Mädchen Rania dazu zwingen, zur Polizei zu gehen. Wir müssen sie zwingen, meinem Sohn ein Alibi zu geben.«
»Sie zwingen ? Wer bist du denn? Der Chef der Geheimpolizei?« Chamis Sejdan grinste bitter.
»Na schön, dann müssen wir sie eben – überreden.« Omar Jussuf hörte den drohenden Unterton in seinen Worten. Er reagierte ausweichend auf Chamis Sejdans Lächeln, indem er schuldbewusst zwinkerte. »Lass uns raus aus der Kälte gehen.«
In der abgestandenen Luft des leeren Cafés hingen noch Reste von Nargileb -Rauch mit Apfelaroma. Das Display der Stereoanlage hinter der Bar pulsierte im treibenden Rhythmus eines bekannten Liedes grellrosa und türkis. Omar Jussuf erkannte die Stimme einer libanesischen Sängerin, die ein paar Jahre älter war als er.
Was ist mit uns geschehen, mein Geliebter?, sang sie. Die Liebe meines Landes klagt noch immer: Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus .
Die Musik war laut, als ob das Personal nicht mit Gästen rechnete und die Lautstärke aufgedreht hatte, um dem Lied bei der Arbeit in einem Nebenraum zuzuhören. Omar Jussuf ging hinter der Bar zu einer Tür, durch deren Spalt ein schwacher Lichtschimmer ins Café fiel. Er klopfte gegen den billigen Holzrahmen.
Der libanesische Star sang weiter: Dort, wo der Fluss sich teilt, wehte der Wind uns entgegen.
Eine junge Frau antwortete auf Arabisch auf Omar Jussufs Klopfen. Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und kam aus der Küche. Sie hatte enge Jeans an, ein schwarzes T-Shirt und einen kurzen lila Kittel, der locker von den Brüsten zur Hüfte fiel. Das schwarze Mendil hatte sie sich ums Gesicht gebunden und unterm Kragen des T-Shirts verknotet.
»Seien Sie gegrüßt, Ustas «, sagte sie. Ihre Stimme war leise und heiser, als wäre sie überanstrengt.
Ich fürchte, o Geliebter, im Exil alt zu werden …
»Seien Sie gegrüßt, meine Tochter«, sagte Omar Jussuf. »Ich bin Abu Ramis, der Vater von Ala Sirhan.«
… und dass man mich zu Hause nicht mehr kennt .
Sie legte die Hand ans Brustbein. »Fühlen Sie sich hier wie bei Ihrer Familie und wie in Ihrem eigenen Heim, Ustas .«
Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus .
»Sind Sie Rania?«
Ihre Augen waren tief und groß, blickten hochmütig und kritisch unter ihren langen Wimpern hervor, aber das Weiße war rosa unterlaufen, sie blickten müde und verweint. Langsam schlossen sie sich, um Omar Jussuf zu sagen, dass er recht hatte. Eine Haarsträhne, die so schwarz war, dass sie wie poliert wirkte, war unter dem Kopftuch hervorgerutscht und strich sacht an ihrem blassen Hals entlang. Sie lächelte kurz mit ihrem breiten, formlosen Mund.
Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus .
»Ich muss mit Ihnen wegen Ala sprechen. Er weigert sich, der Polizei zu sagen, dass er mit Ihnen zusammen war, als Nisar getötet wurde.« Omar Jussuf sah, dass die großen Augen zuckten, als der Name des Toten fiel. »Die Polizei könnte ihn für den Mord verantwortlich machen, wenn er sein Treffen mit Ihnen nicht preisgibt. Würden Sie bitte zur Polizei gehen und sein Alibi bestätigen?«
Das Mädchen hob die Augenbrauen. »Entschuldigen Sie, Ustas , aber außer Ihrem Wort beweist nichts, dass Sie Alas Vater sind.«
»Natürlich bin ich sein Vater. Stellen Sie sich mein Gesicht vor dreißig Jahren vor.« Omar Jussuf setzte die Brille ab. »Mit mehr Haaren und schärferen Augen. Ich glaube, Sie erkennen die Ähnlichkeit.«
»Stellen Sie sich einfach vor, dass er nie auf den Geschmack von Whisky gekommen ist und seine Gesundheit nicht durch einen unvernünftigen Lebenswandel ruiniert hat.« Chamis Sejdan lachte und klopfte im Viervierteltakt des Lieds mit der Hand auf den Tresen. »Also los, meine Tochter. Die Sache ist ernst. Wenn Sie nicht zur Polizei gehen, kommt die Polizei zu
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