Der Attentaeter von Brooklyn
Augenbrauen.
»Ich habe meine Mütze vergessen«, sagte er.
Sie kehrten um und betraten wieder das Café. Der Tresenraum war leer, und Omar Jussuf ging zu dem Tisch, auf dem er seine Wollmütze hatte liegen lassen. Als er sie an sich nahm, hörte er aus der Küche Ranias Stimme.
»Ja, ich war gestern Morgen mit Ala zusammen. Von ungefähr acht bis halb neun. Er war –«
»Ist zu der Zeit nicht Nisar getötet worden?« Marwans Worte überdröhnten die versagende Stimme seiner Tochter.
»Du musst es ja wissen.« In ihrem Ton schwang plötzlich Hass mit. Er schien sie freier zu machen, und sie stieß ein tiefes, heiseres Seufzen aus.
»Rania, was sagst du denn da?« Marwan schlug mit der Hand auf eine harte, metallische Oberfläche.
»Nisar und ich haben uns geliebt«, heulte sie. »Mit Ala war das nicht so, ganz egal, was du wolltest, Papa.«
»Ruhe!«, bellte der Mann. »Ala ist zu gut für dich. Er ist ein guter Araber, nicht so wie dieser gelackte Mistkerl Nisar, der dich irgendwie verhext hat.«
»Und möge Allah dem lieben Jungen gnädig sein«, flüsterte Chamis Sejdan mit einem sarkastischen Grinsen.
Omar Jussuf bedeutete ihm, still zu sein, schlich zur Küchentür und warf einen Blick in den Raum.
Marwan stützte sich mit dem breiten Rücken zur Tür schwer auf den Stahltresen der Küche. »Er hat dir den Kopf verdreht, und dann hat er dich ausgenutzt, mein Liebling. Du bist ihm an Orte gefolgt, zu denen du nicht hättest gehen dürfen, weil er dir den Kopf verdreht hat.«
Hinter dem Tränenschleier waren Ranias schwarze Augen wütend und schön. »Ich habe ihn geliebt, weil er mit mir nach Manhattan gefahren ist. Er hat mir geholfen, ein neues Leben kennenzulernen. Wir wollten von hier weggehen, irgendwohin, nur weg von hier.«
»Jetzt gehst du nirgendwo hin.« Marwan schlug mit der Faust auf den Tresen. »Du bleibst hier und lernst, dich anständig zu benehmen, oder du zahlst einen hohen Preis.«
»Ich habe schon den höchsten Preis bezahlt, als mein Nisar gestorben ist.«
Marwan schnaubte durch die Nase. »Das ist also der Lohn dafür, dass ich dich aus dem Libanon weg und in diese Stadt gebracht habe.«
Das Mädchen schnalzte verächtlich mit der Zunge und zuckte im gleichen Moment zurück, als die Hand ihres Vaters dort durch die Luft sauste, wo eben noch ihr Gesicht gewesen war. Dabei stieß sie eine Nagileb aus dem Regal hinter sich, und der Wasserballon zersplitterte auf den Fliesen.
Omar Jussuf ging durch die Tür und hielt Marwans behaartes Handgelenk fest, als er noch einmal ausholte, um seine Tochter zu schlagen. »Das reicht«, grunzte er. Das Handgelenk zuckte, und Omar Jussuf musste noch die andere Hand zur Hilfe nehmen, um es zu bändigen.
Marwan zeigte auf die zerbrochene Nagileb und raunzte seine Tochter an. »Räum das weg.« Er stolperte ins Café, stützte sich auf den Tresen und legte sich eine Hand auf den rasierten Schädel. Als Omar Jussuf ihn an der breiten Schulter berührte, merkte er, dass der Mann schluchzte.
Rania kam mit verschränkten Armen zur Tür. Ihr Kinn zitterte, und sie hatte keine Geheimnisse mehr zu bewahren. »Können wir der Polizei sagen, dass sie kommen soll, um mit Ihnen zu reden?«, sagte Omar Jussuf zu ihr. »Um Alas Alibi zu bestätigen?«
Als das Mädchen zustimmend den Kopf senkte, überkam Omar Jussuf der Gedanke, was für ein gutes Paar sie und Nisar abgegeben hätten. Die Schönheit des Mädchens war von jener feurigen, sinnlichen Art, die die meisten Männer in eine unglückliche Defensivhaltung versetzt hätte. Sie brauchte einen Liebhaber, der ihre Leidenschaftlichkeit einfach weglachen und es aushalten konnte, sie dadurch erst recht zu entflammen. Einen Mann wie Nisar.
Omar Jussufs Brille beschlug, als er das Café verließ. Er zog sich die NYPD-Mütze über die Ohren. »Was war 1998 denn eigentlich los?«
Chamis Sejdan schlug den Kragen seines Trenchcoats hoch und hielt die Zigarette in der gewölbten Hand. »Das war das Jahr, in dem die libanesische Regierung eintausend verurteilte Drogenhändler begnadigt hat. Marwan stammt aus dem Beekatal, dem Zentrum des libanesischen Drogenanbaus.«
»Willst du damit sagen, dass Marwan Drogenhändler war?«
»Er wusste, worauf ich anspielte, und das gefiel ihm gar nicht. Es war ein Schuss aus der Hüfte, aber ich glaube, ich habe ihn voll erwischt.« Chamis Sejdan atmete aus, und in der kalten Luft qualmte der Rauch Omar Jussuf ins Gesicht.
»Warum hätte er den Libanon verlassen sollen,
Weitere Kostenlose Bücher