Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
nicht bloß für die Wintersaison verrammelt zu sein. Vor einer breiten Fassade mit roten Türen, die wie eine aufgegebene Feuerwache aussah, trampelte er wegen der Kälte mit den Füßen auf den Boden und beschloss, trotz allem in das Restaurant zu gehen, aber nur, um sich zu erkundigen, wo das Playland war. Als er sich umdrehte, blickte er hoch und bemerkte über den roten Türen das Schild in frei stehenden Art-déco-Buchstaben: Playland .
    Während er das Schild entzifferte, spürte Omar Jussuf die Angst, die in ihm gelauert haben musste, seit er von dem Jungen mit dem Dolch die Botschaft erhalten hatte. Die Angst überkam ihn als Adrenalinstoß, der sein Herz wie den Wind über den Wellen gefrieren ließ. In diesem Gebäude erwartete ihn ein Mann, den Omar Jussuf in Bethlehem als einen nervösen, intelligenten Jungen gekannt hatte. Jetzt war er vielleicht ein Mörder. Omar Jussufs Zweifel, ob Raschid dazu in der Lage war, Nisar abzuschlachten, wurden vollständig von der Woge der Anspannung, die ihn erfasste, weggespült. Er blickte die Avenue hinunter und hoffte, der Streifenwagen möge wiederkommen und ihn retten.
    Während er noch zögerte, schwang eine der roten Türen auf und schlug im Wind gegen die Wand. Sie knarrte in ihren rostigen Scharnieren, und Omar Jussufs Kinn zitterte. Er umfasste den Omani-Dolch in seiner Manteltasche mit seiner schwitzenden Faust und schlich langsam auf die Tür zu.
    Wie den Atem, der in einem längst verstorbenen Körper gefangen war, wehte der Luftzug von innen kühlen Dampf hinaus. Er hüllte Omar Jussuf ein und zog ihn zitternd hinein. Die Fenster am hinteren Ende des Gebäudes waren eingeschlagen. Ihre leeren Kreuze teilten das Mondlicht in viereckige Bahnen, die auf den stillen, stinkenden Wasserlachen auf dem Fußboden schimmerten und den bröckelnden Putz an den Säulen der großen Halle erleuchteten.
    Omar Jussuf rieb sich den Schnauzbart. Sein Atem verwirbelte in der Kälte.
    Im Dunkeln pfiff jemand den Refrain des alten libanesischen Liedes, das Omar Jussuf bei seinem ersten Besuch im Café al-Quds aus der Stereoanlage gehört hatte.
    Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus .
    Die Melodie hallte im stillen Gebäude wider. Omar Jussuf suchte in den Bahnen des Mondlichts nach Raschid.
    Der Pfeifende pfiff die erste Strophe des Liedes.
    Dort, wo der Fluss sich teilt, wehte der Wind uns entgegen.
    Die Töne schienen vom hinteren Ende des Gebäudes zu kommen. Omar Jussuf ging in die Richtung der eingeschlagenen Fensterfront.
    »Raschid?«, flüsterte er. »Bist du das?«
    Er watete durch eine Pfütze und fluchte leise, als ihm das eiskalte Wasser in die Halbschuhe lief.
    Wieder erklang der Refrain, diesmal näher: Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus. Omar Jussuf drehte sich um. Ein Fuß schürfte über den Betonboden. Hinter einer Säule kam ein Mann in einem schwarzen Kaschmirmantel hervor. Er hob den Kopf, schob den Schirm seiner grauen Mütze hoch und schüttelte sich das lange Haar vom Mantelkragen.
    »Seien Sie gegrüßt, Ustas «, sagte er.
    Mit dem Entsetzen eines Menschen, der den Geist einer geliebten Person erblickt, streckte Omar Jussuf zwanghaft die Hand aus. »Nisar? Bist du das, Nisar? Du lebst.«
    Er sah weiße Zähne aufblitzen, als Nisar lächelte, und das Mondlicht erfasste die hohen Wangenknochen des jungen Mannes. Omar Jussuf machte einen Schritt nach vorn, doch plötzlich dröhnte ein Schuss durch die leere Halle. Nisar verdrehte die Augen zu den Schatten, in denen der Schuss nachhallte, und ging hinter einer Säule in Deckung.
    Als ein zweiter Schuss fiel, drückte Omar Jussuf sich gegen die Wand. Er hörte Nisars Schritte auf dem Beton. Er rannte, ließ eine Pfütze aufspritzen. In der Rückwand öffnete sich eine Tür, und Nisar ging hindurch. Das Mondlicht flackerte auf der im Wind schlagenden Tür.
    Omar Jussufs Glieder wurden auf einmal schwer. Sein alter Körper konnte mit Sicherheit weder mit Nisar Schritt halten noch demjenigen entkommen, der die Schüsse abgefeuert hatte. Er kam sich töricht vor, sich dieser Gefahr ausgesetzt zu haben. Hast du etwa geglaubt, dass dies ein Spiel sein würde, nur weil man dich ins Playland eingeladen hat?, dachte er. Er ballte die Fäuste und schlug sie sich gegen die Oberschenkel.
    Tief gebückt machte er sich auf den Weg zum Ausgang. Seine durchnässten Socken quietschten, und seine Schuhsohlen waren glitschig. Ein weiterer Schuss ließ das Holz des Türrahmens splittern. Im Gebäude waren

Weitere Kostenlose Bücher