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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Bäume duckten sich im Wind, und von einer massiven Skulptur aus Stahlröhren spritzte der Regen wie Blut, das nach einer Maschinengewehrsalve aus einem Körper strömt.
    Omar Jussuf machte kehrt. Durch die Wand zum Saal hörte man prasselnden Beifall, und er wusste, dass der Präsident jetzt auf dem Weg zum Podium war. Er schnalzte mit der Zunge. Der Umweg durch das Foyer hatte kostbare Zeit gekostet. Er rang zischend nach Atem, verzog wegen des schmerzenden Knöchels das Gesicht und stieg die Treppe hinauf.
    Nach zwei Treppenabsätzen schwitzte er vor Schmerz und Anstrengung. Neben einer schweren Tür mit der Aufschrift TRANSLATION blinkte ein rotes Licht in einem schwarzen elektronischen Schloss an der Wand. Omar Jussuf zog seinen UN-Ausweis durch den Schlitz und drückte auf die Türklinke. Sie bewegte sich nicht. Ein Adrenalinstoß durchzuckte ihn. Er hatte das sichere Gefühl, dass Ismail sich hinter dieser Tür befinden musste.
    Er musste auf andere Weise hineinkommen. Er wollte bereits in die nächste Etage hochsteigen, als sich die Tür öffnete und eine asiatische Frau mittleren Alters herauskam. Sie lächelte Omar Jussuf zu und hielt ihm die Tür auf. Vorzeitiges Altern hat auch seine Vorteile , dachte er.
    Er gelangte in ein anderes, geschwungenes Foyer, aber hier gab es Türen auf der linken Seite. Er öffnete die erste und blickte in eine schwach erleuchtete Kabine mit zwei Sitzen. Das Fenster führte auf die Vollversammlung hinaus. Vor beiden Sitzen ragte an einem langen schwarzen Ständer ein Mikrofon aus dem Pult. Eine Frau mit olivenfarbenem Teint, die klares, lautes Französisch sprach, drehte sich schnell zu Omar Jussuf um und sah dann wieder weg. Unterhalb des Fensters stand der Präsident auf dem Podium und ordnete seine Papiere. Omar Jussuf konnte kein Französisch, hörte die Frau aber »Mesdames et Messieurs« sagen. Die Rede beginnt , dachte er.
    Er ging durch den Flur und stieß die Türen auf. Hinter ihnen übersetzten Dolmetscher mit arabischen Gesichtszügen die Worte des Präsidenten ins Russische, Spanische, Chinesische.
    Als Omar Jussuf auf die letzte Türklinke drückte, war diese blockiert. Er drückte mit der Schulter gegen die Tür, stöhnte, als er das Gewicht auf seinem verletzten Fußgelenk spürte. Er atmete durch. In der Kabine hörte er eine vertraute Stimme. Mit erneuter Anstrengung drückte er die Tür ein Stück weit auf und zwängte sich hindurch.
    Er trat auf etwas Weiches, das seinem Gewicht standhielt. Unter sich sah er einen jungen Araber in weißem Hemd und blauer Krawatte, dessen Hände hinter seinem Rücken an die Fußgelenke gefesselt waren. Omar Jussuf verlagerte sein Gewicht, und der Mann rollte unter ihm weg. Omar Jussuf sackte auf seine Ellbogen, als die Tür hinter ihm zufiel.
    Ismail saß auf dem Dolmetscherstuhl. In der linken Hand hielt er eine Pistole und zielte damit auf Omar Jussuf.
    »Bleiben Sie ruhig, Ustas«, murmelte er und hielt die andere Hand über den Kopf des langen schwarzen Mikrofons.
    »Ismail, mach keine Dummheiten.«
    Der Mann auf dem Fußboden berührte ihn mit einer Drehung seines Halses und wimmerte in panischem Falsett. »Bei Allah, sagen Sie kein Wort. Sehen Sie nicht, dass er eine Waffe hat?«
    Ismail sprach einen englischen Text ins Mikrofon; vor ihm auf dem Pult lag das Manuskript. »Wir, die palästinensische Führung, haben unser Volk auf schändliche Weise missbraucht. Wir haben es zugelassen, dass im besetzten Palästina die Korruption regiert. Wir haben unsere heldenhaften islamischen Kämpfer selbst dann noch ermordet, als sie im Streben nach Märtyrertum die zionistische Besatzungsmacht angriffen.«
    Der Junge schielte zu Omar Jussuf und lächelte, während er weiterlas. Aus dem auf dem Pult liegenden Kopfhörer hörte Omar Jussuf das sattsam bekannte, uninspirierte Gedröhne der Präsidentenstimme.
    Ismail liefert seine eigene Falschübersetzung der Präsidentenrede, dachte Omar Jussuf. Der Bursche, der da gefesselt auf dem Boden liegt, muss der richtige Englisch-Dolmetscher sein .
    »Das Schlimmste ist jedoch, dass wir uns an einem skandalösen Schwindel namens ›Friedensprozess‹ beteiligt haben«, fuhr Ismail fort, »der für das vage Versprechen eines Sklavenstaats das islamische Land Palästina und das Geburtsrecht unseres Volkes der zionistischen Besatzung ausliefert.«
    Omar Jussuf hielt sich an der Kante des Pults fest und zog sich langsam hoch. Er sah in den Versammlungssaal hinunter. Auf dem Podium wirkte der

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